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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Meisterwürde bekannte Ruben sich zu den Hetzreden, die der Schreiber Roland Winter führte und in denen er dafür plädierte, die Welt außerhalb Ravinias zu unterwerfen, da man ja schließlich von Geburt an zu Höherem bestimmt sei.
    Nach offiziellen Angaben war er am Anschlag auf den Markt im letzten Jahr nicht beteiligt. Er hatte sich auch niemals offen zu den Sturmbringern bekannt, aber er war untergetaucht, da ihm seine Sympathien für Roland Winter in Ravinia keine Freunde einbrachten. Im Gegenteil, vor allem Baltasar Quibbes wirkt hochgradig verstört deswegen.
    Nun stand er gestern Abend vor unserer Tür.
    Dein Vater hat ihm ganz unbefangen geöffnet. Ruben war in Begleitung eines kleinen mechanischen Terriers, der allerdings draußen bleiben musste.
    Das Gespräch hat nicht lange gedauert. Wir haben Tee getrunken und uns gezwungen, sachlich miteinander zu reden. Ruben machte jedoch absolut keinen Hehl aus seinen Absichten. Er wollte unsere Hilfe für Roland Winter. Er sprach ganz offen und ehrlich von seinen grausamen Ambitionen.
    Es gipfelte darin, dass Dein Vater und er sich heftig stritten und Ruben schließlich wutentbrannt das Haus verließ.
    Ich möchte Dich eigentlich ungern mit so etwas belasten, aber ich denke, diese ganze Krise wird längst überstanden sein, wenn Du und Deine Geschwister all das hier zu lesen bekommen.

    Bald ist Weihnachten, hoffentlich kühlt die emotionsgeladene Spannung unserer Welt bis dahin wieder etwas ab.
    Deine Mama

    Februar 1994

    Du bist da, Du bist da, Du bist da.
    Du bist endlich, endlich da.
    Also eigentlich bist Du schon seit ein paar Wochen da, aber ich habe in der letzten Zeit einfach keine Ruhe gefunden, um etwas in dieses Buch zu schreiben.
    Und Du bist genau am ersten Januar geboren, ist das nicht toll? Es war zwar schon etwas seltsam, als ich bei der Silvesterfeier der Crooks plötzlich starke Wehen bekam, aber Dein Vater hat wirklich gefasst reagiert. Er hat eine Tür nach Edinburgh aufgeschlossen und einen Krankenwagen gerufen, und kurz nach eins warst Du dann auch schon auf der Welt.
    Ich habe alles sehr gut überstanden. Nach drei Tagen wurden wir schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen.

    Alles scheint so wunderbar.
    Deine Großeltern sind übrigens ständig bei uns in den letzten Wochen. Na ja, es ist ja kein Wunder, denn wie oft bekommt man schon die Gelegenheit, sein erstes eigenes Enkelkind in den Armen zu halten.
    Die Welt ist schön.
    Es hat angefangen zu schneien in Edinburgh. Vielleicht haben wir ja bald auch einmal eine richtige Schneedecke.
    Deine Mama

    März 1994

    Es ist so schön, eine richtige Familie zu sein.
    Auch wenn das heißt, dass wir Ravinia demnächst für ein paar Jahre den Rücken werden kehren müssen. Doch das ist es wert. Jedes Mal, wenn ich Dich sehe, weiß ich, dass es das wirklich, wirklich wert ist.
    In Edinburgh ist es noch richtig bitterkalt, während in Ravinia meistens nur der Januar etwas kälteres Wetter mit sich bringt. Gegen Mitte Februar verwandelt sich der Schnee meistens schon wieder in Matsch, und es wird so grau und nass draußen wie im Herbst.
    Wir gehen so häufig spazieren wie selten in letzter Zeit. Du hast einen schönen Kinderwagen, einen richtig altmodischen mit Spitzendeckchen, er sieht beinahe aus wie ein kleiner Puppenwagen. Drinnen hast Du natürlich einen schönen roten Anorak und zwei flauschige blaue Fleecedecken. Ich hoffe ja nicht, dass Du mich für meinen Geschmack für leicht antiquierte Accessoires irgendwann hassen wirst.
    Du warst schon überall: in London, in Paris, in Prag, in Hamburg, sogar im Central Park von New York sind wir einmal mit Dir spazieren gewesen, aber wir hatten uns verschätzt, denn dort war es noch viel, viel kälter als in Edinburgh. Dein Vater hatte nachher im Scherz vorgeschlagen, wir könnten es ja mal in Moskau probieren, aber ich habe dankend abgelehnt.
    Oh, Du bist aufgewacht, dann wirst Du sicher gleich Hunger haben.
    Deine Mama

    April 1994

    Weißt Du was? Es ist unglaublich!
    Dorothea ist schwanger. Sie hat es mir heute gesagt und gemeint, sie und William hätten es absichtlich so lange niemandem erzählt, weil sie erst einmal ihre Angelegenheiten regeln mussten. Oh, ich freue mich so für die beiden. Und außerdem ist es so schön, wenn um einen herum auf einmal das Leben explodiert.
    Nicht nur, dass der Frühling mit aller Gewalt Einzug hält

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