Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
in die Welt, nein, auch Du machst unser Leben so unvergleichlich schön. Jedes Mal, wenn Du mich anlächelst, vergesse ich den vielen Schlaf, um den Du mich und Deinen Vater bringst. Aber Du bist ja auch eigentlich ein unkompliziertes Kind. Du schreist nicht wie am Spieß, sondern Du findest die Welt, die Dich umgibt, einfach toll und faszinierend.
    Und außerdem bekommst Du auch bernsteinfarbenes Haar. Es ist noch etwas dunkel und noch sehr dünn, aber Deine Großmutter Elisabeth meinte, bei mir wäre es genauso gewesen.
    Ich freue mich,
    Deine Mama

    Juni 1994

    Die Zeit mit Dir vergeht wie im Flug. Jetzt bist Du schon fast ein halbes Jahr alt, und Du bist so ein liebes Kind. Jeane meinte zwar, Du wirst auch irgendwann ein vierzehnjähriger, zickiger Teenager werden, aber bis dahin ist ja noch viel Zeit. Sie hat Dir außerdem einen grünen Frosch aus Plüsch geschenkt, den Du seit einigen Tagen immer mit ins Bett bekommst. Ihren Kommentar, dass Du den Frosch mit vierzehn bestimmt doof finden würdest, habe ich überhört.
    Leider kann man nicht alles in diesen Tagen so einfach überhören.
    Gestern ist etwas Schreckliches passiert.
    Erst ist der skrupellose Roland Winter nach langer Zeit nun doch wieder auf dem Marktplatz aufgetreten und wollte tatsächlich die Einwohner der Stadt dazu bringen, sich ihm anzuschließen. Seine Stimme war in der ganzen Stadt zu hören, wie durch ein Megafon. Oh Lara, ich weiß nicht, wie der Kerl das macht, aber es ist grässlich, dass er so viel Macht besitzt. Niemand weiß, woher er sie nimmt, es ist richtig unheimlich.
    Als er ausgebuht wurde von den Leuten, hat er aus Wut darüber das Dach des alten Kinos am Markt einstürzen lassen. Zum Glück befand sich niemand im Gebäude, aber er versucht, die Leute einzuschüchtern. Oh meine kleine Lara, lass uns einfach das Beste hoffen.
    Deine Mama

    Juli 1994

    Es ist wieder passiert.
    Ruben hat uns noch einmal besucht.
    Gestern.
    Diesmal war er weniger versöhnlich. Er hat auf den Tee verzichtet, um uns stattdessen sehr eindringlich klarzumachen, dass wir doch für Roland Winter arbeiten sollten, wenn uns das Wohl unseres kleinen Betriebes am Herzen läge. Dein Vater und ich haben natürlich energisch abgelehnt, woraufhin Ruben seinen mechanischen Terrier in den Laden gehetzt hat. Zwar hat das Biest nicht viel Schaden angerichtet, weil Dein Vater gleich mit dem kleinen Schraubstock danach geworfen – und getroffen – hat, aber das hat Ruben nur fuchsteufelswild gemacht, und er ist unter lauten Verfluchungen davongestürmt.
    Anschließend sind wir zur Wache, um unser Problem den Nachtwächtern vorzutragen. Die versinken zwar geradezu in Arbeit, seit Roland Winter auf dem Marktplatz für Panik gesorgt hat, aber man hat unserem Gesuch stattgegeben, und so schieben nun abwechselnd zwei junge Nachtwächter, Ludovic und Valerius, in der Gobelingasse Wache.
    Später kam Morinho, der Glasbläser von gegenüber, vorbei, um uns zu versichern, dass er seine unheimlichen Glasaugen überall in der Straße aufhängen würde, um Alarm zu geben, wenn sich Ruben oder ein Sturmbringer noch einmal hierher verirren sollte.
    Das alles erleichtert uns zwar, aber geheuer ist es uns nicht.
    Mich plagen ernsthafte Zweifel, ob wir uns richtig verhalten. Ich hoffe es zumindest, denn wenn Dir etwas zustoßen würde, meine kleine Lara, könnte ich mir das nie und nimmer verzeihen.
    Deine Mama

    Juli 1994

    Lord Hester hat eingegriffen.
    Roland Winter ist erneut auf dem Marktplatz aufgetaucht, genau während des Wochenmarkts, und hat Panik verbreitet. Es wird erzählt, dass einige Händler Gegenstände nach ihm geworfen haben, die er noch in der Luft zur Seite gewischt hat. Wie er das macht, bleibt weiterhin ein Rätsel.
    Schließlich ist Lord Hester aufgetaucht. Er hatte dieselbe, künstlich verstärkte Stimme und hat öffentlich gegen den Schreiber gewettert. Auch hat er versichert, dass niemand in Ravinia sich zu fürchten brauche, dafür würde er jetzt Sorge tragen.
    Ich glaube, dass Lord Hester vielleicht die letzte Person ist, vor der dieser Wahnsinnige noch so etwas wie Respekt empfindet.
    Es sind wahrhaft komische Zeiten, meine kleine Lara. Zum Glück bekümmert Dich das alles nicht. Du lachst und strahlst und wirst jeden Tag größer.
    Deine Mama

    August 1994

    Es ist ein Junge.
    Dorotheas und Williams Baby ist ein

Weitere Kostenlose Bücher