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Ravinia

Titel: Ravinia
Autoren: Thilo Corzilius
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der Luft hingen wie reife Trauben am Rebstock des Lebens?
    Â»Wo sind wir?«, stammelte Lara.
    Â»Ich sagte doch schon: Das ist Ravinia.«
    Lara sah ihn an.
    Â»Ja. Verstanden. Aber wo sind wir?«
    Ein Grinsen zog sich über Baltasars Gesicht, von einem Ohr zum anderen.
    Â»Ãœberall und nirgends«, sagte er vollkommen ernst.
    Lara verzog ihr Gesicht.
    Â»Geht’s etwas genauer?«, fragte sie genervt.
    Baltasar grinste immer noch.
    Â»Lass uns ein Stück gehen. Am besten Richtung Markt, damit du aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommst«, sagte er. »Derweil erzähle ich dir alles. Aber hab etwas Geduld, die Geschichte ist lang, und ich fange am besten ganz vorne an.«
    Sie gingen eine Weile schweigend durch die Straßen und Gassen zwischen den uralten Häusern, während Baltasar genüsslich eine seiner schwarzen, ägyptischen Zigaretten rauchte und kleine Kringel in die Luft blies. Die interessantesten Geschäfte, Läden und Werkstätten befanden sich hier. Isaakson’s Schuhwerk für alle Fälle oder Staffeleien nach Maß oder Maverick’s Farben – Alles von Azurblau bis Zinnoberrot .
    Nur wenige Menschen begegneten ihnen. Und wenn, dann hatten sie es furchtbar eilig.
    Â»Heute ist Markt. Dort sind alle. Wundere dich also nicht, dass hier nichts los ist«, meinte Baltasar zwischen zwei Rauchkringeln.
    Â»Hm«, machte Lara nur.
    Schließlich schien Baltasar einen Anfang gefunden zu haben für das, was er sagen wollte, denn er holte einmal tief Luft.
    Â»Es ist so«, begann er. »Es ist so – oder sagen wir, es ist schon immer so gewesen –, dass wir Menschen Dinge erschaffen konnten. Und damit meine ich nicht, dass wir uns Häuser bauen oder Kleidung nähen können. Nein, ich meine, wir Menschen haben seit jeher die Möglichkeit, Dinge in unserem Kopf entstehen zu lassen.
    Brauchen wir ein Werkzeug, so können wir uns vorher ausmalen, was es können muss und wie es wohl auszusehen hat, um damit arbeiten zu können.«
    Lara nickte im Gehen.
    Â»Nun ist es aber seit alters her immer schon so gewesen, dass wir Menschen – oder zumindest einige von uns – darüber hinaus noch mehr zu tun vermögen, als einfach nur ein Werkzeug herzustellen.«
    Einen Moment schien Baltasar erneut seine Gedanken zu sortieren, dann fuhr er fort.
    Â»Schon seit Urzeiten wird uns von Menschen berichtet, die ihr Können in einer Weise perfektioniert haben, dass es an ein Wunder zu grenzen scheint. Seit Menschen ihre Geschichte aufschreiben, kann man darüber lesen.«
    Lara sah hoch.
    Â»Schon immer?« Lara machte keinen Hehl aus ihrer Skepsis. Die letzten Tage waren so voll abstruser Informationen gewesen, dass ihr eine gesunde Skepsis angebracht schien.
    Â»Na ja«, sagte Baltasar. »Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte von Kain und Abel aus der Bibel. Abel tut, was er tut, aus ganzem Herzen – anders als Kain. Und laut der Erzählung steigt der Rauch von seiner Opferstätte auf zum Himmel, obwohl die Witterungsbedingungen dies doch eigentlich gar nicht erlaubt haben dürften.«
    Â»Aber in der Geschichte ist es doch Gott, der den Rauch aufsteigen lässt«, wandte Lara ein.
    Â»Macht das einen Unterschied?«
    Baltasar zwinkerte erneut.
    Lara überlegte. Machte es wirklich einen Unterschied? Abel hatte sein Werk aus vollem Herzen geschaffen.
    Â»Was er tut, bezahlt er mit dem Leben«, gab sie schließlich zu bedenken.
    Â»Ja«, sagte Baltasar. »Er ruft Neid auf den Plan. Einer der Gründe, warum man das Besondere nicht einfach so zur Schau stellen sollte. Das lernt man, während man die Geschichte liest.
    Alleine die Bibel ist voll von solchen Geschichten. Stäbe, die Meere teilen und Flüsse blutig färben, Geisterbeschwörer, Wunderheiler, Bilder und Amulette zum Schutz vor Schaden, wundersame Waffen und Werkzeuge.«
    Sie blieben stehen.
    Â»Und das ist nicht alles. Überall auf der Welt drängen seit ewigen Zeiten Geschichten über seltsame Werkzeuge oder Personen an uns heran, die nur aufgrund von ungeheurem Wissen Erstaunliches vollbringen können.
    Denke nur an das Schwert Caliburn – oder wie wir es häufig nennen: Excalibur –, das König Artus unverwundbar machte. Derartige Geschichten gibt es viele. Zum Beispiel die von Gram, dem Schwert von Siegfried dem Drachentöter, das der im Schmiedefeuer Gestalt
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