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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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es für einen Mann, den du wahrscheinlich nicht kennst. Sag, hast du schon einmal etwas von Ravinia gehört?«
    Wolf schüttelte verwirrt den Kopf. Ravinia? Irgendwie schien ein Nachhall dieses Wortes in seinem Gedächtnis zu erklingen, aber er konnte die Bedeutung nicht so recht fassen. Nein, von Ravinia wusste er zumindest nichts. Er hätte nicht einmal sagen können, ob Ravinia ein Ort, eine Person oder ein Gegenstand war.
    Â»Gut«, sagte Ma’Haraz. »Dann nehmen wir jetzt etwas von dir auf.«
    Diesmal schüttelte Wolf entschieden den Kopf.
    Â»Ich fürchte, daraus wird nichts«, sagte er entschieden, bereute die Antwort jedoch auf der Stelle. Ma’Haraz nahm einen der Wirbel der Stradivari in seine Hand und brach ihn einfach ab. Ein Knacken ging durch die Violine, das in Wolfs Augen direkt aus der Hölle hätte stammen können. Er überlegte fieberhaft. Hoffte, das Holz der Geige hatte keinen Riss bekommen. Aber wo um alles in der Welt sollte er denn den Wirbel einer solchen Geige reparieren lassen, ohne dass es auffiel?
    Ma’Haraz schloss die Hand um den zweiten Wirbel.
    Â»Also?«, fragte er boshaft.
    Â»Schon gut«, heulte Wolf. »Ich mach’s, aber lassen Sie das Instrument in Ruhe.«
    Ein zufriedenes, düsteres Lächeln machte sich auf Ma’Haraz’ Gesicht breit. Er legte die Geige neben Wolf auf die Couch und kramte aus einer Tasche eine Phiole mit einer schimmernden Flüssigkeit, außerdem eine feingliedrige Kette und ein Schnapsglas.
    Er stellte das Schnapsglas auf den Couchtisch und hängte die Kette mit einem Ende hinein. Dann füllte er das Glas mit der seltsam schimmernden Flüssigkeit.
    Â»Was … was wird das?«, fragte Wolf vorsichtig.
    Â»Ich bereite quasi die Aufnahme vor«, erklärte Ma’Haraz fast beiläufig, und Wolf zog es vor, keine weiteren Fragen zu stellen.
    Â»Ã„h«, wagte er es schließlich doch noch.
    Ma’Haraz sah ihn fragend an.
    Â»Na ja, ich brauche eine Violine dafür«, meinte Wolf. »Und meine ist gerade etwas …«
    Er deutete auf den abgebrochenen Wirbel.
    Doch Ma’Haraz grinste nur, griff hinter den Sessel, auf dem er saß und holte einen Geigenkoffer hervor, den er sanft auf Wolfs Schoß bettete. Unglaube machte sich auf Wolfs Gesicht breit, als er den Deckel des Koffers vorsichtig anhob.
    Â»Le Maurien Stradivari«, erklärte Ma’Haraz triumphierend. »Ich habe sie vor ein paar Jahren in meinen Besitz gebracht. Du darfst sie behalten, wenn unser kleiner Trick funktioniert.«
    Wolf schluckte einige Male trocken. Schließlich überwand er sich und berührte die Violine im Koffer zaghaft mit den Fingern. Wohlige Wärme durchströmte ihn und machte sich in ihm breit.
    Â»Nun mach schon!«, drängte Ma’Haraz ihn. »Ich habe im Gegensatz zu dir nicht ewig Zeit.«

    Bernsteinfarben.
    Der Sonnenaufgang über dem dunklen Fluss hatte Ravinia erst zum Glühen gebracht und es danach in einen goldenen, bernsteinfarbenen Glanz getaucht. Bald würde die Unschuld des neuen Tages verloren gehen und das Gold der Stadt sich unmerklich verändern. Nicht die sichtbaren Farben würden sich verdunkeln, sondern jene unsichtbaren, die nur das Herz zu sehen imstande ist. Dann würde aus dem bernsteinfarbenen ein düstergoldener Glanz geworden sein.
    Das Einzige, das den Glanz des Morgens behalten würde, war das schillernde Haar der jungen Frau auf dem Balkon des Bergfrieds, der als Teil der Burg Ravinia die gesamte Stadt überragte.
    Es war windig, aber nicht kalt. Um Lara herum drehten Raben ihre Runden um den breiten Turm, ließen allerdings nicht ein einziges Krächzen vernehmen. Die Welt um sie herum schien unwirklich. Der Fluss, der tief unter ihr das Felsgestein der Inseln umspülte, auf denen die Stadt erbaut war, war schwarz wie die Nacht.
    Die jenseitigen Ufer waren unheimlich. Tiefe Wälder und hohe Hügelkämme sowie die ein oder andere scharfe Klippe bildeten ein stimmiges Bild. Jedoch lag ein bedrohliches Flimmern über der dichten Landschaft. Ein Flimmern, das verhieß: bis hierhin und nicht weiter . Wo auch immer Ravinia lag, der Ort hatte nur ein einziges Zugeständnis an die Menschen gemacht: Die Inseln im Fluss. Nach Norden und Süden erstreckten sich zwei mächtige Brücken an die anderen Ufer, die im Laufe der Zeit vom Moos erobert worden waren. Man hatte die Stadttore

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