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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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gespürt, als du den Schlüssel zum ersten Mal berührt hast?«, wollte er wissen.
    Â»Er war«, Lara suchte das richtige Wort, »irgendwie warm.«
    Mr Quibbes nickte wieder nur.
    Â»Ja, ich denke, du kannst so etwas.«
    Einen Augenblick lang war Lara drauf und dran, ihm zu glauben. Was für eine phantastische Idee. Magische Schlüssel. Doch …
    Wie verrückt.
    Lara stand auf.
    Â»Du glaubst mir nicht«, stellte Mr Quibbes fest.
    Â»Na ja, Sie erzählen aber auch ziemlichen Mumpitz«, brachte Lara es auf den Punkt.
    Mr Quibbes schüttelte nur andeutungsweise den Kopf und sagte leise: »Keinen Mumpitz, Lara. Deine Eltern wüssten das.«
    Lara beugte sich über den Tisch.
    Â»Hören Sie verdammt nochmal auf mit meinen Eltern. Beweisen Sie diesen Blödsinn. Niemand würde Ihnen das glauben.«
    Plötzlich beugte Mr Quibbes sich vor. Mit einer schnellen Bewegung hatte er Lara den Schlüssel entrissen und marschierte so in Richtung Toilette.
    Â»Hey!«, protestierte Lara. »Das ist meiner! Wo wollen Sie denn hin?«
    Und sie eilte ihm hinterher.
    Hinter der Ecke, dort, wo es zu den Toiletten ging, blieb sie stehen. Wie Mr Quibbes. Der stand nämlich vor dem Damenklo und deutete mit dem Finger auf das 00-Schild.
    Â»Was, denkst du, ist dahinter?«, fragte er seelenruhig.
    Â»Das Klo, was glauben Sie denn? Und jetzt geben Sie mir den Schlüssel, Sie alter …!«
    Lara machte einige Schritte auf Mr Quibbes zu. Der wiederum steckte schnell den Schlüssel ins Schlüsselloch, schloss auf und drückte die Tür nach innen auf, in das vermeintliche Klo hinein. Und Lara vergaß alles, was sie zu tun im Begriff gewesen war. Dort, hinter der Tür der Damentoilette, lag die Victoria Street. Dieselbe Straße wie die heute Morgen vor ihrer Haustür. Gegenüber war der Laden von Mr Quibbes, und darin bewegte sich die Gestalt des blassen Mannes namens Tom.
    Â»Ich würde mich beeilen, denn wenn uns jemand sieht, stellt er unangenehme Fragen«, meinte Mr Quibbes lächelnd.
    Lara nickte nur stumm und trat durch die Tür, hinaus auf die Victoria Street. Nein. Kein Traum. Lara überlegte, ob ihr nicht schwindelig sein müsste. Sie wusste es nicht.

    Das Schicksal war der größte Verräter überhaupt.
    Es konnte keine magischen Schlüssel geben. Nein, nein, nein. Das war einfach unmöglich. Absolut absurd!
    Aber schließlich hatte Lara es jetzt zum zweiten Mal mit eigenen Augen gesehen.
    Sie standen wieder auf der Victoria Street. Baltasar hatte die vermeintliche Toilettentür hinter ihnen zugezogen und einer völlig fassungslosen Lara den kleinen, goldenen Schlüssel in die Hand gedrückt.
    Wäre ihr Leben ein Cartoon und kein Herbstregen gewesen, überlegte Lara insgeheim, wäre dies der Moment, in dem ihr die Kinnlade heruntergefallen wäre.
    Doch was sollte sie jetzt tun?
    Nach Hause gehen und sich darüber freuen, den seltsamsten Schlüssel der Welt zu besitzen?
    Â»Was hältst du von dem Gedanken, Schlüsselmacherin zu werden?«, fragte Baltasar ganz unvermittelt. »Du hast ganz ohne Frage das Talent dazu, wenn du deinen besonderen Schlüssel nur durch eine Berührung erkennst.«
    Â»Wie… wieso fragen Sie das?«
    Baltasar zwinkerte.
    Â»Dein Großvater hat mir erzählt, dass ihr in der Schule langsam dazu gedrängt werdet, euch Gedanken über eure Zukunft zu machen.«
    Lara nickte nur.
    Â»Und da du das Talent hast, würde es doch naheliegen, eine ganz besondere Schlüsselmacherin zu werden«, fuhr er fort.
    Später würde Lara nicht mehr daran denken, dass sie diese Entscheidung ganz unbefangen, ja beinahe beiläufig getroffen hatte. Diese Entscheidung, die ihr ganzes Leben verändern sollte. Unwiderruflich.
    Und Mr Baltasar Quibbes hielt das Zünglein an der Waage, als er sagte: »Du könntest bei mir in die Lehre gehen. Und schließlich hättest du denselben Beruf wie dein Vater.«
    Da sagte Lara McLane einfach und ohne zu überlegen: »Ja«.

2. Kapitel, in dem Lara drei überraschende Begegnungen widerfahren. Zwei düstere und eine sehr kurze, aber umso hellere.
    Von wo ich sitze und das Leben in Augenschein nehm,
    seh ich den Hinterhof, vom schwarzen Himmel überdacht,
    wie gegenüber gerade jemand Licht ausmacht.
    Seh die hell erleuchteten Fenster
    auf der anderen Seite der Nacht.
    Â  Dota Kehr
    â€“

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