Raylan (German Edition)
war. Old Tom, Friede seiner Seele, habe zuletzt Angst vor dem Straßenverkehr gehabt und sei nur noch mit dem Fuß auf der Bremse gefahren. »Ungeduldige Menschen«, sagte Mr. Harry, »konnten dabei durchaus ein bisschen nervös werden.« Mr. Harry legte eine Pause ein, um den Leuten im Club Zeit zu lassen, höflich zu lachen. »Cuba hingegen«, sagte Mr. Harry, »stellt seinen Fuß aufs Gas und lässt ihn da. Letztens habe ich ihn gefragt: ›Cuba, du hast nicht zufällig früher mal Autos gestohlen, oder?‹ Was hattest du darauf noch geantwortet?«
Cuba sagte: »Ich glaube, ich habe gesagt: ›Nein, Boss, das ist eine der wenigen Sachen, die zu tun mir der Teufel nie befohlen hat.‹«
Mr. Harry klopfte Cuba auf die Schulter und sagte: »Mach, dass du hier rauskommst.« Die Pferdenarren lachten, rückten zusammen, und Mr. Harry setzte sich zu ihnen an einen Tisch in der ersten Reihe.
Cuba ging zurück an die Bar und winkte den Leuten huldvoll zu, während sie Beifall klatschten, er nickte und grinste, bis er die Bar erreicht hatte und Layla ihm ihren Drink hinschob. Ohne weiteren Blick in die Runde nahm Cuba das Glas und trank den Wodka in einem Zug aus. Dann sagte er: »Haben Sie eine Vorstellung davon, wie oft ich schon den dankbaren Nigger gegeben habe?«
»Sie waren sehr überzeugend«, sagte Layla.
»Was er über Old Tom erzählt hat, war Schwachsinn. Er hat den alten Mann gefeuert, als er mich angestellt hat, er ist deshalb krank geworden und gestorben.«
»Mir kam beim Zusehen«, sagte Layla, »unweigerlich der Gedanke, dass Sie sich eines Tages umdrehen werden, Harry am Hals packen und ihn vor seinen Freunden erwürgen. Und die denken dann, das gehört zur Nummer.«
Cuba sagte: »Wenn ich ihn im Rolls fahre, überlege ich oft, ob ich den Wagen mal absichtlich an einer abschüssigen Stelle aus der Kurve fliegen lassen soll. Ich selbst springe mit dem Fallschirm raus und sehe mir in aller Ruhe an, wie der Alte abkratzt. Beim Aufprall geht das Auto in Flammen auf, genau wie im Kino. Im echten Leben gibt’s solche Explosionen aber leider nicht. Ich fahre also Mr. Harry, und schon muss er wieder pinkeln. Im Scheinwerferlicht sehe ich ein Stück Straße,direkt an einem Abhang. Ich sage: ›Mr. Harry, holen Sie Ihren Schwanz raus, wir sind fast da.‹«
Laylas auf ihm ruhender Blick wurde warm. Sie sagte: »Ich glaube, ich bin dabei, mich in Sie zu verlieben.«
»Sie können es gern mit mir versuchen«, sagte Cuba, »schaden kann’s nicht.«
Er beobachtete, wie sie ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug aus der Tasche ihres teuer aussehenden, schwarz glänzenden Regenmantels holte, und wartete, bis sie sich eine angezündet hatte. Dann sagte er: »Sie wissen, dass das hier drin nicht erlaubt ist.«
»Die müssen einen erst mal erwischen«, sagte Layla.
»Wollen Sie eine Szene provozieren?«
»Wenn jemand was sagt«, sagte Layla, »ziehe ich noch ein Mal an der Zigarette und mach sie dann aus.« Sie rückte näher heran. »Ich wollte Ihnen noch was über Harrys Nieren erzählen ...«
»Über damals, als ich ihn ins Krankenhaus gebracht habe?«
»Er ist jedes Jahr ein bis zwei Mal im Krankenhaus.«
»Der Mann muss alle zwanzig, dreißig Minuten pinkeln. Danach kann man die Uhr stellen.«
»Das ist seine Prostata. Seine Nieren sind gar nicht so schlecht. Ein Nerv im unteren Rücken ist eingeklemmt.«
»Weswegen ihm sein Iliosakralgelenk Probleme macht«, sagte Cuba. »Hatte ich auch schon mal. Ich war so lange ans Bett gefesselt, bis ein Chiropraktiker mich endlich wieder eingerenkt hat.«
»Harry hat uns beauftragt, einen Spender mit seiner Blutgruppe zu finden.«
»Ich dachte«, sagte Cuba, »man muss sich auf die Warteliste setzen lassen, wenn man eine neue Niere braucht.«
»Harry schenkt dem Krankenhaus jedes Jahr eine Million. Und der Spender bekommt im Moment seines Auftauchens hunderttausend auf die Hand.«
»Wenn er unbedingt eine Niere will«, sagte Cuba, »gebt ihm doch einfach eine.«
»Oder wir holen die alte raus«, sagte Layla, »und pflanzen sie dann wieder ein?«
Cuba grinste. »Und aus dem Krankenhaus kommt ein neuer Mensch.«
Cuba sah Mr. Harry vom Tisch aufstehen, als Layla sagte: »Ungefähr so hatte ich mir das vorgestellt.«
Cuba hörte ihr zu, während er seinen Boss dabei beobachtete, wie er den Leuten am Tisch die Hände schüttelte. Er sagte zu Layla: »Ich gehe davon aus, dass wir uns sehr bald wiedersehen, jetzt, da wir ein Liebespaar sind.«
Sie sagte:
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