Raylan (German Edition)
zahlen wir Unsummen. Wir müssen also nicht bis nach Sleepy Hollow fahren. Du holst dir einfach ihre Unterschrift und sagst ihr, dass ich morgen mal vorbeischaue, verlierst dann noch ein paar freundliche Worte und ziehst einen Schlussstrich unter die Geschichte.«
Boyd sagte: »Freundliche Worte? ›Tut mir wirklich leid, dass ich Ihren Gatten umgebracht habe‹?«
»Willst du, dass ich dich rausschmeiße? Sag das noch mal!«
Sie starrten sich an, und beinahe hätte Boyd es getan. Oder ihr gesagt, sie müsse ihn nicht rausschmeißen, er werde kündigen. Stattdessen sagte er: »Wissen Sie eigentlich, dass Sie nach der Präposition ›wegen‹ den Dativ benutzt haben? Sie haben gesagt: ›Wegen dem teuren Pflegeheim zahlen wir Unsummen.‹«
»Erwischt bei einem Grammatikfehler.« Carol starrte in sein ernstes Gesicht. »Wie hätte es richtig heißen müssen?«
»Wegen des teuren Pflegeheims«, sagte Boyd, »zahlen wir Unsummen.«
Achtundzwanzigstes Kapitel
N ichols trieb Raylan auf, und gemeinsam fuhren sie zum Tatort im Land der Pferde: Wo Vollblüter auf ihren Weiden friedlich grasen, während die Leichen zweier erschossener Mädchen in einem Wäldchen liegen.
»Ein Autofahrer«, sagte Nichols, »hat gesehen, wie ein Krähenschwarm in die Bäume einfiel. Er wusste, da muss etwas Totes sein, hielt an, sah nach und verständigte die Polizei. Die hatten schon eine Fahndung rausgegeben: Wir suchen Kim und Cassie, die ausgeflogen waren, als wir sie holen wollten. Aber dass es so schnell gehen würde – während Jane sicher in Untersuchungshaft sitzt.«
Sie sahen sich die Leichen an, stellenweise war die Kleidung zerrissen, die Gesichter von den Krähen zerhackt. Um sie herum wimmelte es von Polizisten. »Die Zähne sind noch da«, sagte Nichols, »aber die Augen sind weg. Ist dir das aufgefallen? Ich wette, sie hatten dunkle Augen. Keine von beiden hat einen Ausweis bei sich.«
Ein Kriminaltechniker, der sie beobachtet hatte, sagte: »Wir haben Glück, dass wir noch vor den Kojoten hier sind. Sonst wären nur Knochen übrig.«
Raylan beugte sich über eines der Mädchen, und der Techniker warnte ihn davor, die Kleidung zu berühren. »Sonst könnten Sie von dem Blut HIV-positiv werden.« Raylan hob eine Handdes Mädchens hoch und entdeckte eine mit schwarzem Filzstift auf der Handinnenfläche notierte Telefonnummer, verschmiert von Blut.
Zu Nichols sagte er: »Das ist ja deine Telefonnummer.«
»Sie hatte mitten im Gespräch aufgelegt«, sagte Nichols. »Überrascht mich, dass sie die Nummer aufgeschrieben hat.«
»Hat wohl auch kein zweites Mal darüber nachgedacht, dich anzurufen«, sagte Raylan. »Sonst wäre sie vielleicht noch am Leben.« Er stand auf, bedankte sich bei den umstehenden Polizisten für die Sicherung des Tatorts und teilte ihnen mit, bei den beiden Mädchen handele es sich um Kim und Cassie. »Ihre Nachnamen kenne ich nicht. Sie sind wahrscheinlich schon aktenkundig geworden, wegen Prostitution. Ich glaube, sie waren Stripperinnen, bevor sie Bankräuberinnen wurden. Vielen Dank für eure Unterstützung.«
Einer der Polizisten sagte: »Es sind noch Kripobeamte aus der Stadt hier raus unterwegs. Ihr Jungs wart einfach schneller. Wollt ihr noch warten und mit denen sprechen? Sie werden den Fall schließlich übernehmen.«
»Ich glaube, wir sollten lieber den Schützen festnehmen, ihr versteht, bevor er merkt, dass wir ihm auf den Fersen sind.«
Der Polizist fragte: »Wisst ihr denn, wer’s war?«
»Ja«, sagte Raylan, »Delroy Lewis.«
Der Polizist sagte: »Diese Leichen hier sind nicht identifizierbar, aber ihr wisst trotzdem, wer sie sind und wer sie getötet hat?«
»Wir haben noch eins von seinen Bankraubmädchen bei uns. Sie hat uns alles über ihn erzählt«, sagte Raylan. »Danke, Jungs, ihr hört von uns.« Dann entfernte er sich mit Nichols.
»Was«, sagte Nichols, »wenn es gar nicht Delroy war, sondern irgendein anderer Idiot?«
»Es war Delroy«, sagte Raylan. »Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der sich eine Truppe Bankräuberinnen hält. Massig Geld verdient, vielleicht sogar ein bisschen überrascht ist, wie gut das funktioniert. Hat ja alle überrascht.«
»Und er hat keinen Kumpel, der ihm sagt: ›Wenn die Mädels auffliegen, fliegst du mit‹?«
»Wenn, dann sagt Delroy dazu nur: ›Was für Mädels? Ich habe keine Mädels. Ich halte mich schön im Hintergrund, Mann. Eventuell geb ich den Mädels für die Bank noch ’ne Limo.‹«
»Lässt den Macker
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