Raylan (German Edition)
müssen mir versprechen, dass Sie ihn nicht mitnehmen. Versprochen?«
Ohne einen Blick zu wechseln, hoben Raylan und Nichols beide die Hand zum Schwur.
»Kommt gleich auf dem Flatscreen hier«, sagte Kenneth und nickte einem Bildschirm über der Bar zu, »nur zu Ihrem Privatvergnügen. Mit Delroys Erlaubnis darf ich Ihnen jedes Getränk, auf das sie Lust haben, aufs Haus servieren.«
Raylan und Nichols sahen einander immer noch nicht an.
»Wenn Sie wollen«, sagte Kenneth, »kann ich Ihnen ruckzuck noch Popcorn machen.«
Raylan sagte, »also, Ken, ich könnte ein Bier gebrauchen«, und Nichols sagte, er würde auch eins nehmen.
Der Mann auf dem Bildschirm trug einen Trainingsanzug, ein magerer Zweimetermann, der den Ball mit flüssigen Bewegungen zum Korb dribbelte, stehen blieb und einen Sprungwurf gegen das Brett knallte, sich den Ball zurückholte, wieder zum Korb lief und den Ball versenkte. Dann ging er zurück, auf die Kamera zu, den Ball unterm Arm. Hielt den Ball vor sich in die Höhe und ließ ihn auf der Fingerspitze kreiseln. Blickte direkt in die Kamera und sagte: »Für mich dreht sich die Welt so wie dieser Basketball.«
Mit der Fernbedienung machte Kenneth Delroy zum Standbild. »Er hat mir gesagt, er wolle zwar ›nicht geheimnisvoll, aber so in die Richtung‹ klingen. Ich fragte: ›Tiefsinnig, aber obskur?‹ Und er: ›Ja, genau.‹ Er meinte, wir alle hier würden ein Spiel spielen. Wir würden es bis zum Äußersten spielen und abwarten, wie’s ausgeht.«
»Er hat«, sagte Raylan, »zwei Mädchen erschossen, während sie pinkeln waren.«
Kenneth drückte die Fernbedienung, und Delroy auf dem Bildschirm ließ den Ball weiterkreiseln. Dann ließ er ihn fallen. Und sagte: »Ich kann gerade nicht bei Ihnen sein. Durch Zufall habe ich vor einer Bank ein Mädchen gesehen, das ich mal gekannt habe, eine Jane irgendwas. Auf ihrer Kleidung war überall rote Farbe.«
»Das habe ich ihm so gesagt«, sagte Kenneth.
»Das Mädchen muss versucht haben, die Bank zu überfallen«, sagte Delroy. »Ich habe gesehen, dass sie zum Amtsgericht gebracht wurde, zu dem in der Barr Street. Kurz darauf habe ich Sie dort reingehen sehen.« Delroy aus einer neuen Perspektive. »Erinnern Sie sich, wie Sie mich festnehmen wollten und wir uns so gegenüberstanden? Ich mit meinem Gewehr, locker in der Hand. Und Sie sagten, ich soll es wegwerfen oder Sie schießen. Sie hatten noch nicht mal ’ne Knarre gezogen, sagen das aber so zu mir. Ich hatte sieben Jahre, um drüber nachzudenken, Mann. Wollten Sie mich verarschen oder was? Bluffen? Im Knast ist mir klar geworden, dass Sie bis zum Äußersten gegangen sind.«
Den nächsten Satz sprach Raylan Wort für Wort zusammen mit Delroy auf dem Bildschirm: »Denn man weiß nie, wie weit man gehen kann – bis man da ist.«
Raylan sagte: »Halten Sie mal kurz an, Ken, vielleicht könnten wir doch noch auf Ihr Angebot zurückkommen. Meinen Sie, Sie könnten uns zwei Martinis mixen? Bis jetzt gefällt mir der Film, auch wenn Delroy wirklich den Arsch offen hat.«
Sie ließen Delroys Film weiterlaufen. Er sagte: »Dieser Mann, auf den ich geschossen habe, wegen dem Sie mich eingebuchtet haben? Sie wissen, dass ich nicht auf seinen Arm gezielt hatte. Ich schieße, und die Knarre macht einen Sprung in meinen Händen. Hatte sie ausgeliehen und das scheiß Teil vorher nicht ein Mal benutzt, und dann schieß ich dem Typen den Arm weg.«
»Dem Mann ist der Arm in einem Krankenhaus amputiert worden«, sagte Raylan. Er nahm einen Schluck und hob sein Glas in Richtung Kenneth.
Auf dem Monitor sagte Delroy: »Ich hab ihn ja nicht umgebracht. Hatte damals gehört, dieses verräterische Arschloch wollte euch irgendwelche Märchen über mich auftischen. Da bin ich ein bisschen durchgedreht und habe mir dieses Gewehr geliehen, nur zur Selbstverteidigung. Ich stehe direkt vor ihm, treffe aber nicht. Ich benutze das Ding eben zum ersten Mal. Beinahe hätte ich ihm den Kopf weggeschossen, hab ich aber nicht, stimmt’s? Dann kommt dieser Spitzel mit seinem Anwalt, der mir sagt, er will eine Million dafür, dass ich aus ihm einen Einarmigen gemacht habe. Dem Anwalt sage ich, dass ich beim Nummernschilder-Stanzen zehn Cent die Stunde verdiene, abzüglich Sonntage, Weihnachten und wenn ich krank bin. Einen Teil meiner Groschen gebe ich für Zahnpasta und Rasiercreme, ein bisschen Alk und ab und an eine Sportwette aus. Nach der Haft habe ich noch vier Dollar und zwanzig Cent übrig. Wie soll
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