Readwulf
sprechen. Ich glaube sie hat dir viel zu sagen.«
»Dieser Freund? Für wie lange?«, flüsterte ich, das Gesicht an seine Brust gedrückt.
Er hob meinen Kopf an. Meine Wange lag in seiner Handfläche. Zärtlich strich er mir das Haar aus dem Gesicht. Wie ich das vermisst hatte. Er war so sanft und ich schloss erwartungsvoll meine Augen.
Statt mich zu küssen und endlich wieder Nähe zwischen uns aufkommen zu lassen, drückte er mich erneut fest an sich. Dabei atmete er tief durch. Es klang fast qualvoll, als ob er körperliche Schmerzen hätte.
Ob mir mal einer diesen Mann erklären könnte! , fluchte ich innerlich und versuchte vor Enttäuschung seine Umarmung nicht zu genießen. Es gelang mir nicht.
»Read?«
»Was ist meine Schöne?«
»Du bist ein seltsamer Mann.«
Die Sonne stand tief, als Manons Auto in der Einfahrt hielt. Claude kehrte in diesem Moment mit den Arbeitern von den Weinbergen zurück. Er küsste seine Frau dreimal links und rechts auf die Wangen und trug ihr die Einkaufstüten ins Haus.
Ich goss mir neues Sprudelwasser ins Glas und drehte dem Küchenfenster den Rücken zu.
Seltsam diese Franzosen , dachte ich bei mir. Zwei Stunden hatte ich auf der Terrasse in der Sonne verbracht und dabei war sogar etwas Urlaubsfeeling aufgekommen. Das Anwesen war riesig, das Chateau selbst glich eher einem kleinen Schlösschen und war absolut stilvoll eingerichtet. Manon und Claude schienen nicht unvermögend zu sein. Sie hatten den Charme des Hauses bei ihrer Restauration weitestgehend erhalten und selbst die neu installierten Bäder wurden im Stil des 18. Jahrhunderts beibehalten. Die neuen Kacheln waren dem alten Original nachempfunden. Dazu die verschnörkelten Armaturen der verzierten Waschtische, auf dem kleine Nixen abgebildet waren. Aber am besten gefiel mir die freistehende Kupferbadewanne in meinem Gästebadezimmer. Badezimmer waren meine heimliche Leidenschaft.
Ich legte mich wieder in den Sonnenstuhl und schloss die Augen. Meine Gedanken kreisten um Manon. Ich wusste nicht, wie ich sie ansprechen sollte. Der Abgang gestern war mir peinlich, wie immer, wenn ich emotional übertrieben reagierte. Aber hatte ich eine Wahl? Ich wusste nicht viel über sie. Manon hatte mich zur Welt gebracht. Diesen Schock hatte ich weggesteckt, aber dass sie mich als Baby weggegeben hatte, lag mir schwer im Magen.
Welche Mutter tut so etwas? Könnte ich das? Will ich überhaupt mal Kinder? Kinder ... oder nur ein Kind, vielleicht mit Read? Readwulf Winston Fairfax als Vater. Nee! Unbewusst schüttelte ich den Kopf. Ich hörte Schritte und blinzelte in die Abendsonne.
Manon stand, wie aufs Stichwort, mit einem Tablett neben meinem Liegestuhl.
»Wenn du willst, ich habe frischen Eistee gemacht. Vielleicht magst du ihn ja mit mir trinken?«, sagte sie und schaute mich fragend an.
Ihre Haltung wirkte ebenso hilflos, wie ich mich fühlte.
»Oh, danke«, log ich, denn Eistee mochte ich noch nie.
Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab und setzte sich in den zweiten Sonnenstuhl neben mich.
Unbeholfen nippte ich am Glas, welches sie mir angereicht hatte: »Hmm lecker«, kommentierte ich und schluckte schwer an dem widerlich süßen Zeug.
Plötzlich plärrte sie los. Ihre Stimme überschlug sich dabei fast: »Ich wollte dich nie weggeben. Ich hatte keine Wahl. Aber ich schwöre dir, ich wollte immer nur dein Bestes!«
Mit weit aufgerissen Augen stand mir der Mund offen.
»Bitte sag doch was Kind«, flehte sie und starrte mich hilflos an.
Ich atmete, zu mehr war ich nicht in der Lage.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die Schwere der Last sah man ihr in diesem Moment an. Mit zittriger Stimme fuhr sie fort: »Hattest du ein schönes Leben? Waren Marie Ann und Harry gut zu dir? Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn es nicht so wäre.«
Wieder schaute sie mich flehend an, doch auch wenn ich gewollt hätte, ich war nicht fähig etwas dazu zu sagen.
Manon sah gequält aus, ihre Tränen liefen unaufhörlich über ihre zarten Wangen. Der Ausdruck in ihren Augen sprach Bände und ihr ganzer Körper zitterte nun unkontrolliert.
Sie sprang auf, weil sie mein Schweigen wohl nicht länger ertragen konnte.
»Warte!«, brachte ich endlich heraus.
Sie stoppte und blieb reglos stehen.
»Wieso?«, schrie ich sie an.
Manon drehte auf dem Absatz um und warf sich vor mir auf die Knie, zeitgleich griff sie nach meinen Händen.
»Weil ich den falschen Mann geliebt habe«, antwortete sie. Das klang
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