Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
jüdische Weisheit, dass eine Hochzeit im Grunde nichts anderes sei als ein Begräbnis, nur mit Musik. Sie lachte leise. Im Carport begann der Sänger mit einem neuen Stück. It’s a wonderful world, und jetzt wusste sie, an wen sie seine Stimme erinnerte: an Louis Armstrong.
    »Manchmal benehmen sie sich erwachsener als wir«, stimmte Suzan zu. »Aber das geht über Dirks Verstand.«
    »Dieser Mann denkt immer nur an sich«, sagte ihre Mutter. »Ein Rätsel, wie zwei Brüder so unterschiedlich sein können. Roelof war ein durch und durch guter Mensch.« Sie schaute ihre Tochter an und hatte wieder Tränen in den Augen. »Ich darf gar nicht daran denken, was aus dir geworden wäre, wenn unser Herrgott ihn dir nicht über den Weg geschickt hätte.«
    Suzan legte ihre Hand auf die ihrer Mutter. »Ach Mama, wer wüsste das besser als ich.«
    Sie schwiegen und dachten alle drei an dasselbe. Dann fragte Els: »Hast du noch Kontakt zu diesem Mann?«
    Suzan biss sich auf die Lippen. »Nein«, sagte sie schroff. »Ich habe nichts mehr mit ihm zu tun.«
    »Dann belass es auch dabei«, riet ihr ihre Schwester.
    Sie lauschten der Musik. Els nahm Suzans Hand. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    »Die Uhr zurückdrehen.« Suzan lächelte verbittert. »Aber nicht zu weit.«
     
    Dirk, Lilian und Thea marschierten im Laufschritt über die Einfahrt zum Achterweg, wo die Autos standen. Sie schauten sich nicht einmal zu den Frauen unter den Pflaumenbäumen um. Dirk blieb in Höhe des Carports stehen und rief seinem Vater laut zu, dass sie fahren wollten. Die Musik brach ab.
    Der alte Joop erhob sich widerwillig von seiner Bank.
    »Dein Onkel erlaubt mir nicht, im Auto zu rauchen.« Er trat seine Zigarette im Gras aus. »Halt die Ohren steif, Mädchen«, sagte er. »Und komm mich bald besuchen.«
    Rebecca küsste ihn auf beide Wangen. »Nächste Woche.« Hand in Hand begleitete sie ihn ein Stück. Mit erhobenem Daumen grüßte er Rob, der eine Hand von der Gitarre nahm, um seinem Onkel und seinen Tanten zuzuwinken.
    »Komm, Erik!«, rief Dirk ungeduldig.
    Rebecca blieb am Tor stehen. Sie spürte die angespannte Atmosphäre.
    »Wollt ihr euch nicht von Suzan verabschieden?«, fragte sie. »Sie sitzt da hinten.«
    Lilian lächelte gezwungen und sagte: »Es wird schon alles gut.«
    Dirk klopfte ihr auf die Schulter. »Wir lassen bald von uns hören.«
    Thea nickte ihr nur kurz zu. Dann verschwanden sie in Richtung ihrer Autos.
     
    Suzan saß in dem hohen Stuhl am Fenster, in dem Roelof immer die Zeitung gelesen hatte, weil das Licht dort gut war. In letzter Zeit hatte sie oft beobachtet, wie er blinzelte und sich die Augen rieb. Sie hatte ihn ein paarmal ermahnt, zum Augenarzt zu gehen, weil er anscheinend eine Lesebrille brauchte. Draußen war es dunkel geworden. Sie hatte die Gardinen offen gelassen, denn sie empfand ein Bedürfnis nach dem Gefühl von Weite, trotz der Dunkelheit, die nur vom weichen Licht des aufgehenden Mondes erhellt wurde. Sie hatte Kopfschmerzen vom Nachdenken.
    Die Beerdigung war überstanden, alle waren weg, nur sie drei blieben zurück. Das war ihre ganze Familie, mehr würden sie nicht werden. Sie hatten das Abendessen ausfallen lassen nach den vielen Brötchen und Häppchen, mit denen der Kühlschrank noch bis obenhin voll war.
    Suzan konnte nicht aufhören, an Roelof zu denken. Sie versuchte, ihn zu verstehen. »Was dachte er sich nur dabei?«, fragte sie. »Was hat er sich in Gottes Namen dabei gedacht? Dass wir besser dran wären ohne ihn?«
    »Natürlich nicht.« Rob saß am Schachtisch und fingerte an den Figuren herum. Jeder Tag würde Aufgaben mit sich bringen, für die sie ihn brauchten und die an seinem Fehlen scheiterten.
    Suzan zögerte. Sie waren seine Kinder. Sie konnte selbst kaum etwas Negatives über Roelof ertragen, nicht jetzt. »Er war oft sehr niedergeschlagen«, sagte sie. »Dann hielt er sich für nicht gut genug, weil nie etwas aus seinen Plänen wurde.«
    Sie dachte daran, dass er nicht einmal den Bauernhof gekauft hätte, wenn sie ihn nicht dazu angespornt und ermutigt hätte, weil er vor der Hypothek zurückschreckte.
    »Das ist wahr«, stimmte Rebecca zu.
    »Vielleicht war er zu begierig, zu angespannt. Wenn es um etwas sehr Wichtiges ging, konnte er sehr nervös werden. Dann fand er oft nicht die richtigen Worte und war unsicher, genau wie du, Rob.«
    »Aber so war er nicht, wenn es um Gartenbau ging«, wandte Rob unwirsch ein.
    »Und wenn der Kunde ihn ausgelacht hat?«

Weitere Kostenlose Bücher