Rebecca
Suzan hielt ihre Faust mit der anderen Hand umklammert und hämmerte auf ihren Schoß ein. »Dieser Mann stellt internationale Bauprojekte auf die Beine und da kommt Roelof mit seinem Schulheft an.«
»Hör doch auf mit dem Quatsch«, sagte Rob.
»Sie darf sagen, was sie will«, erwiderte Rebecca. »Und es kann durchaus sein, dass sie Recht hat.«
Suzan lächelte sie erschöpft an. »Ich versuche doch nur, eine Erklärung zu finden, und mir fällt nur eine einzige ein, nämlich dass sie sich nicht einig geworden sind, dass das Projekt geplatzt ist und er sich nicht traute, uns unter die Augen zu treten. Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Du musst ins Bett«, sagte Rebecca. »Du bist müde. Wir sind alle müde. Wir können gar nicht mehr richtig denken.«
Ihr Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt. Der Portwein, mit dem sie am kalten Kamin saß, half kein bisschen.
Suzan rührte sich nicht. »Da ist noch etwas«, sagte sie. »Ich kann garantiert kein Auge zutun, bevor ich nicht mit euch darüber geredet habe. Es geht um Onkel Dirk. Hat er zu euch etwas über das Haus gesagt?«
Rebecca hob erstaunt den Blick. »Was hätte er über das Haus sagen sollen?«
»Er ist der Meinung, wir müssten es verkaufen.«
»So ein Quatsch«, sagte Rob zum zweiten Mal. »Was mischt der sich denn da ein?«
Rebecca schaute in ihr Glas. »Vielleicht befürchtet er, dass wir die Hypothek nicht bezahlen können«, sagte sie. »Und dass er dann für unsere Schulden geradestehen muss.«
»Hat er das gesagt?«, fragte Rob.
»Nein«, sagte Rebecca. »Aber das ist ja nicht schwer zu erraten.«
»Ich möchte nur von euch wissen, was ihr wirklich wollt«, sagte Suzan. »Seid bitte ehrlich, nehmt keine Rücksicht auf mich.«
»Meinst du, ob wir das Haus verkaufen wollen?«, fragte Rebecca.
»Nein. Oder ja, auch das, aber es geht noch um etwas anderes.« Suzan schaute hinaus in die Nacht. »Els hat mir erklärt, wie eine Erbschaft rechtlich geregelt wird, wer wie viel Prozent bekommt. Es läuft darauf hinaus, dass uns das Haus zu dritt gehört, zum größten Teil aber euch beiden. Solange ich die Vormundschaft für euch habe, ist das kein Problem, solange wir uns einig sind zumindest, aber Dirk wird womöglich versuchen, mir die Vormundschaft entziehen zu lassen. Wenn er euer Vormund wird, kann er veranlassen, dass das Haus verkauft wird.«
Beide schauten sie verblüfft an. »Dirk soll unser Vormund werden?«, fragte Rebecca schließlich. »Und wir sollen dann etwa bei ihm und Lilian wohnen? Ich darf gar nicht daran denken!«
»So ein Unsinn!«, sagte Rob. »Und was ist mit dir?«
»Ich habe dann gar nichts mehr zu sagen.«
»Der ist wohl verrückt geworden«, sagte Rebecca. »Wir behalten das Haus und wir bleiben bei dir, du bist unsere Mutter. Das würde auch unser Vater wollen.«
Suzan hatte einen Kloß im Hals. »Das glaube ich auch«, sagte sie.
»Ich verstehe das nicht«, hakte Rob nach. »Warum sollte man dir die Vormundschaft entziehen?«
Suzan kämpfte mit den Tränen. »Er will vielleicht versuchen, mich für ungeeignet erklären zu lassen.«
Rob stieß einen empörten Laut aus. »Da müssten sie aber doch zuerst mal uns fragen«, sagte er und schaute seine Schwester an. »Stimmt doch, oder? Im Übrigen bin ich schon fast achtzehn.«
»Deswegen wird er es so schnell wie möglich tun wollen«, sagte Suzan.
Sie war froh, dass sie sie nicht nach den Gründen fragten, die Dirk vor Gericht anführen wollte. Sollte es zu einem Prozess kommen, würde ihre Familie sich gegen Klatsch und Tratsch und Halbwahrheiten verteidigen müssen. Ihr lief es kalt den Rücken hinunter. »Auf jeden Fall werde ich mir Arbeit suchen«, sagte sie.
»Ich kann auch arbeiten gehen«, sagte Rob.
»Ich will, dass du die Schule beendest.«
»Van Beek würde mich für vier Tage die Woche nehmen.«
Rebecca sah ihren Bruder an. »Suzan möchte von uns hören, ob wir hinter ihr stehen, was die Vormundschaft betrifft«, erinnerte sie ihn.
»Ich sehe das genauso wie du«, sagte Rob.
Rebecca lächelte ihn an. Ihr Vater hätte gewollt, dass sie ihr Leben so weiterlebten wie bisher und sie ihr Haus und ihre Familie und alles, was sie noch hatten, verteidigten. Vielleicht half es ihnen, über ihren Kummer hinwegzukommen, wenn sie eine Aufgabe hatten, wenn sie kämpfen müssten. Sie musste an die drei Musketiere denken und brach, weil es ihr so albern vorkam, in hilfloses Gekicher aus. »Einer für alle und alle für einen«, sagte
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