Rebecca
Crawley», sagte der Küstenwächter.
«Ja», sagte ich.
«Er würde für Mr. de Winter durchs Feuer gehen.»
«Ja, ich glaube, das würde er tatsächlich fertigbringen.»
Der kleine Junge sprang immer noch aufgeregt um uns herum. «Wann kommt denn der Taucher wieder?» fragte er.
«Noch nicht so bald, mein Sohn», sagte der Küstenwächter.
Eine Frau in einem rosa-weiß gestreiften Kleid kam über die Klippen auf uns zu. «Charlie?
Charlie? Wo steckst du denn?» rief sie.
«Da kommt deine Mutter, jetzt setzt’s was!» sagte der Küstenwächter.
«Ich hab den Taucher gesehen, Mami», schrie der Junge.
Die Frau nickte uns lächelnd zu. Ich kannte sie nicht. Sie war wohl ein Feriengast aus Kerrith. «Es wird wohl jetzt nicht mehr viel zu sehen geben», sagte sie. «Da unten sagen sie, daß das Schiff noch tagelang draußen liegen wird.»
«Sie warten erst den Bericht des Tauchers ab», sagte der Küstenwächter.
«Ich verstehe nicht, wie ein Mensch dazu zu kriegen ist, so lange unter Wasser zu bleiben», sagte die Frau. «Hoffentlich bezahlt man sie wenigstens gut.»
«Das tut man auch», sagte der Küstenwächter.
«Ich will ein Taucher werden, Mami», rief der Junge.
«Da mußt du deinen Vater fragen, Charlie», sagte die Frau und lachte uns an. «Ein schönes Fleckchen Erde ist das hier, nicht wahr?» wandte sie sich dann an mich. «Wir wollten hier picknicken und ahnten ja nicht, daß wir in den Nebel geraten und sogar noch ein Schiffsunglück erleben würden. Ich persönlich kann ja nichts Aufregendes dabei finden.»
«Nein, viel zu sehen ist ja auch nicht», sagte der Küstenwächter.
«Das ist ein schöner Wald dort drüben», sagte die Frau. «Aber ich glaube, er gehört zu einem Privatbesitz.»
Der Küstenwächter räusperte sich verlegen und sah mich an. Ich kaute an einem Grashalm und blickte zur Seite.
«Ja, das ist privater Besitz», sagte er.
«Mein Mann hat gesagt, daß alle diese großen Grundstücke eines Tages aufgeteilt und Einfamilienhäuser darauf gebaut werden würden», sagte die Frau. «Ich hätte nichts dagegen, so ein kleines Haus hier an der See zu haben. Aber im Winter stelle ich’s mir nicht schön vor.»
«Ja, im Winter ist es hier sehr einsam», sagte der Küstenwächter.
Ich kaute weiter an meinem Grashalm. Der kleine Junge spielte um uns herum. Der Küstenwächter sah auf seine Uhr. «Es wird Zeit für mich», sagte er, «auf Wiedersehen.» Er grüßte mich und schlug den Pfad nach Kerrith ein. «Komm, Charlie, wir wollen Vater suchen gehen», sagte die Frau. Sie nickte mir freundlich zu und wanderte über den Felsen landeinwärts. Der kleine Junge rannte ihr nach. Ein Mann in kurzen Sporthosen und buntgestreifter Tennisjacke winkte ihr. Sie setzten sich alle neben einen Wacholderbusch, und die Frau fing an, ihren Picknickkorb auszupacken.
Ich wünschte, ich hätte einmal vergessen dürfen, wer ich war, und mich zu ihnen setzen und mit ihnen hartgekochte Eier und belegte Brote essen, mich mit ihnen unterhalten und auch so vergnügt und laut lachen können. Und danach würden wir langsam nach Kerrith
zurückgehen, unterwegs im Wasser plantschen, über den Sand um die Wette laufen und schließlich im Gasthaus einen ausgedehnten Tee mit Toast und Krabben zu uns nehmen. Statt dessen mußte ich allein durch den Wald nach Manderley gehen und auf Maxim warten. Und ich wußte nicht, was wir miteinander sprechen sollten, wie er mich ansehen, wie seine Stimme klingen würde. Aber ein Weilchen blieb ich noch sitzen.
Ich war nicht hungrig, ich mochte nicht essen.
Immer mehr Menschen kamen, um sich das Schiff anzusehen. Es war ein Erlebnis, von dem man zu Hause erzählen konnte. Die Gesichter waren mir alle unbekannt. Das Meer lag bleiern schwer und unbeweglich da; die Möwen flogen nicht mehr über meinen Kopf, sie ruhten sich jetzt alle auf dem Wasser aus. Im Laufe des Nachmittags kamen immer neue Boote mit Ausflüglern an der Unglücksstelle an; heute war ein großer Tag für die Bootsvermieter von Kerrith. Der Taucher wurde wieder emporgezogen und stieg dann noch einmal hinunter. Der eine Schlepper dampfte fort, während der andere blieb. Der Taucher blieb das zweitemal nur kurze Zeit unten, und dann fuhren er und der Hafenmeister mit dem grauen Motorboot weg. Die Besatzung des Schiffes vertrieb sich die Zeit damit, die Möwen zu füttern. Nichts ereignete sich. Die Ebbe hatte ihren Tiefstand erreicht, und das Schiff lag gefährlich schief und zeigte fast den ganzen
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