Rebecca
neben ihr stand ein Aschenbecher voller Zigarettenstummel. Sie sah müde und angegriffen aus.
Ich stellte sie gleich wegen Favell zur Rede, und sie hör-te mir schweigend zu. ‹Wir haben diese erniedrigende Komödie jetzt lange genug gespielt›, sagte ich. ‹Jetzt muß es ein Ende damit haben, verstehst du? Was du in London treibst, interessiert mich nicht. Dort kannst du mit Favell zusammenleben oder mit wem du willst. Aber hier nicht, nicht auf Manderley.›
Einen Augenblick lang sagte sie nichts. Sie starrte mich nur an, und dann lächelte sie. ‹Und wenn es mir hier nun besser paßt, was dann?› fragte sie. ‹Du kennst die Bedingungen›, sagte ich. ‹Ich für meinen Teil habe mich an unsere gemeine, verdammte Abmachung gehalten, das kannst du ja wohl nicht bestreiten. Aber du hast dein Wort gebrochen. Du glaubst, du kannst dich in meinem Haus genauso wie in deiner Lasterhöhle in London aufführen. Meine Geduld ist jetzt zu Ende! Ich gebe dir noch eine letzte Chance, hörst du?› Sie drückte ihre Zigarette aus, erhob sich und streckte sich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. ‹Du hast recht, Max›, sagte sie. ‹Es wird Zeit, daß ich ein neues Leben beginne.›
Sie sah sehr blaß und schmal aus. Sie begann, mit den Händen in den Hosentaschen, im Zimmer auf und ab zu gehen. In ihrem Segelanzug sah sie wie ein Junge aus, ein Junge mit dem Gesicht eines Botticelli-Engels.
‹Hast du dir schon einmal überlegt›, sagte sie, ‹wie verflucht schwer es für dich sein würde, etwas gegen mich vorzubringen? Ich meine vor Gericht, falls du dich von mir scheiden lassen willst. Bist du dir darüber klar, daß du mir auch nicht das geringste nachweisen kannst? Alle deine Freunde, selbst die Dienstboten, sind überzeugt, daß unsere Ehe vorbildlich ist.›
‹Und Frank? Und Beatrice?› fragte ich.
Sie warf den Kopf zurück und lachte. ‹Wie würde sich wohl Franks Geschichte gegen meine ausnehmen?› sagte sie. ‹Kennst du mich immer noch nicht so gut? Und was Beatrice anbelangt, ihr Zeugnis würde man einfach als das einer eifersüchtigen Frau betrachten, deren Mann einmal den Kopf verloren und sich zum Narren gemacht hat. O nein, Max, du müßtest dich schon verdammt anstrengen, wenn du mich überführen wolltest.›
Sie betrachtete mich lächelnd, die Hände immer noch in den Hosentaschen, und wiegte sich auf den Zehenspitzen. ‹Verstehst du nicht, daß Danny jeden Eid für mich schwören würde und daß die Aussage einer so vertrauten Dienerin nicht leicht zu entkräften sein dürfte? Und daß die anderen Dienstboten in ihrer blinden Unwissenheit genau dasselbe beschwören würden? Sie sind doch alle der Ansicht, daß wir auf Manderley wie Mann und Frau zusammenleben, nicht wahr? Und das glaubt jeder, alle deine Freunde, unsere ganze kleine Welt. Wie willst du da das Gegenteil beweisen?›
Sie setzte sich auf die Tischkante und pendelte mit den Beinen hin und her, während sie mich scharf beobachtete. ‹Haben wir unsere Rollen als zärtlich liebendes Paar nicht zu gut gespielt?› fragte sie. Ich weiß noch, daß ich ihren hin-und herschwingenden Fuß in der gestreiften Sandale mit den Augen verfolgte und es heiß vor mir zu flimmern begann.
‹Danny und ich könnten dich schön blamieren›, sagte sie sanft. ‹Du würdest dich so lächerlich machen, daß kein Mensch dir mehr glaubte, Max, aber auch niemand.› Und der Fuß hörte nicht auf, vor-und zurückzuschwingen, dieser verdammte Fuß in der blauweiß gestreiften Sandale.
Plötzlich sprang sie vom Tisch und stellte sich lächelnd vor mich hin. ‹Wenn ich ein Kind hätte, Max›, sagte sie, ‹dann könnten weder du noch sonst jemand in der Welt nachweisen, daß es nicht dein eigenes wäre. Es würde deinen Namen tragen und hier auf Manderley aufwachsen, und du könntest nichts dagegen tun. Und nach deinem Tod würde Manderley ihm gehören. Du würdest dich doch auch über einen Erben für dein geliebtes Manderley freuen, nicht wahr? Es würde dir doch Spaß machen, meinen Sohn in seinem Wagen unter dem Kastanienbaum zu sehen, und wie er dann später auf dem Rasen herumtollt und im Glücklichen Tal Schmetterlinge fängt. Es wären doch die schönsten Augenblicke deines Lebens, Max, wenn du meinen Sohn so heranwachsen sähest und wüßtest, daß dies alles ihm gehört, wenn du tot bist.›
Sie hielt inne und zündete sich eine Zigarette an und trat ans Fenster. Plötzlich fing sie an zu lachen. Sie lachte, als ob sie nie wieder
Weitere Kostenlose Bücher