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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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Das Schweigen, das ich immer für Trauer und Zuneigung gehalten hatte, war ein Schweigen der Verlegenheit und der Scham gewesen. Es schien mir jetzt unfaßlich, daß ich es vorher nicht verstanden hatte. Ich dachte, wie viele Menschen in der Welt wohl litten und nicht aufhörten zu leiden, weil sie dem Netz ihrer eigenen Scheu und Zurückhaltung nicht entrinnen konnten und statt dessen in ihrer törichten Blindheit eine hohe Mauer um sich errichteten, die die Wahrheit verbarg.
    «Das war das letzte Wochenende, das Bee und Giles auf Manderley verbrachten», sprach Maxim weiter. «Ich lud sie auch nie wieder allein ein. Sie kamen nur noch bei offiziellen Gelegenheiten, Gartenfesten und Bällen. Bee ließ mir gegenüber kein Wort darüber verlauten, und ich sprach auch nicht mit ihr darüber. Aber ich glaube, sie erriet, was für ein Leben ich führte. Ebenso wie Frank. Rebecca wurde wieder vorsichtig. Nach außen hin war ihr Benehmen untadelig. Aber wenn ich einmal von Manderley abwesend sein mußte und sie allein zurückblieb, konnte ich nie sicher sein, worauf sie verfallen würde. Mit Frank und Giles hatte es angefangen. Ihr nächstes Opfer konnte einer der Gutsangestellten oder jemand aus Kerrith sein, irgend jemand … Dann wäre die Bombe geplatzt; der Klatsch, die Öffentlichkeit, die ich fürchtete, wären über Manderley hergefallen.»
    In Gedanken stand ich wieder am Bootshaus, hörte das Trommeln des Regens auf dem Dach, sah den Staub auf den Schiffsmodellen, die Rattenlöcher im Sofa und Bens irre, starrende Idiotenaugen. «Sie werden mich doch nicht in die Anstalt stecken?»
    «Sie hatte einen Vetter», sagte Maxim. «Ein Bursche, der sich lange im Ausland herumgetrieben hatte und wieder nach England gekommen war. Er pflegte regelmäßig herzukommen, wenn ich verreiste. Frank sah ihn oft. Jack Favell heißt er.»
    «Ich kenne ihn», unterbrach ich Maxim. «Er war damals hier, als du nach London fahren mußtest.»
    «Du hast ihn auch gesehen? Warum hast du mir’s denn nicht gesagt? Ich erfuhr es von Frank, der seinen Wagen in die Anfahrt einbiegen sah.»
    «Ich tat es absichtlich nicht», sagte ich. «Ich hatte Angst, er könnte dich an Rebecca erinnern.»
    «Mich an sie erinnern?» flüsterte Maxim. «Mein Gott, als ob es dazu einer Erinnerung bedurft hätte!»
    Er starrte eine Zeitlang schweigend vor sich hin, und ich fühlte, daß er ebenso wie ich an jene überflutete Kajüte auf dem Meeresgrund dachte.
    «Sie pflegte diesen Favell unten im Bootshaus zu empfangen», sagte er dann. «Hier im Haus gab sie bekannt, sie würde eine Segeltour machen und erst am nächsten Morgen zurück sein.
    Und dann verbrachte sie die ganze Nacht mit ihm im Bootshaus. Wieder warnte ich sie. Ich sagte ihr, ich würde ihn erschießen, wenn ich ihn irgendwo auf meinem Grund und Boden anträfe. Seine Vergangenheit war eine Kette von Laster und Ausschweifung … Der bloße Gedanke, er könnte den Wald von Manderley betreten, vielleicht gar das Glückliche Tal, ließ mich rot sehen. Sie zuckte die Schultern und vergaß ihr übliches Geschimpfe. Und mir fiel auf, wieviel blasser sie aussah als sonst, so abgespannt und verstört. So ging es eine Weile, ohne daß sich etwas ereignet hätte. Dann fuhr sie eines Tages nach London und kam ganz gegen ihre Gewohnheit noch an demselben Abend zu-rück. Ich hatte sie nicht erwartet und aß drüben bei Frank, weil wir noch eine Menge Arbeit zu erledigen hatten.»
    Er redete jetzt in kurzen, abgehackten Sätzen. Ich hielt seine Hände fest in den meinen.
    «Ich kam erst um halb elf nach Hause und entdeckte ihren Schal und ihre Handschuhe auf einem Stuhl in der Halle. Ich wunderte mich, warum sie wohl so rasch zu-rückgekommen sei.
    Ich ging ins Morgenzimmer, aber dort war sie nicht. Ich nahm an, daß sie in die Bucht zu ihrem Bootshaus gegangen war. Und mit einem Mal wurde mir klar, daß ich dieses Leben der Lüge, der Täuschung und der Erniedrigung nicht länger aushalten konnte. Die Angelegenheit mußte bereinigt werden, so oder so. Ich steckte einen Revolver ein, um den Burschen zu erschrecken, um ihnen beiden einen Schrecken einzujagen. Ich ging geradewegs durch den Wald zum Bootshaus. Von den Dienstboten hatte niemand gemerkt, daß ich überhaupt im Haus gewesen war; ich hatte mich ungesehen in den Garten geschlichen und eilte zum Strand hinunter. Ich sah Licht im Bootshaus brennen und trat ohne zu zögern ein. Zu meiner Überraschung war Rebecca allein. Sie lag auf dem Sofa, und

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