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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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als sie endlich die Karten zusammenlegte und nach dem Kästchen griff, bemerkte sie beiläufig: «Sagen Sie, ist Max de Winter noch im Hotel?» Ich zögerte einen Augenblick wie ein Schwimmer vor dem Sprung, verlor dann aber meine Sicherheit und einstudierte Überlegenheit und erwiderte:
    «Ja, ich glaube doch – jedenfalls erscheint er zu den Mahlzeiten immer noch im Speisesaal.»
    Irgend jemand hat es ihr gesagt, dachte ich, irgend jemand hat uns zusammen gesehen; der Tennistrainer hat sich beschwert; der Geschäftsführer hat ihr etwas geschrieben, und ich erwartete ihren Angriff. Sie fuhr jedoch fort, die Karten in das Kästchen einzuordnen, gähnte ein wenig, während ich ihr zerwühltes Bett glattstrich. Ich reichte ihr die Puderdose, das Rouge und den Lippenstift, und sie stellte das Kartenkästchen beiseite und nahm den Handspiegel vom Nachttisch. «Gutaussehender Kerl», sagte sie, «aber launisch, möchte ich annehmen. Schwer, aus ihm klug zu werden. Ich finde ja, er hätte damals in der Halle wenigstens so tun können, als ob er mich nach Manderley einladen wollte, aber er war verschlossen wie eine Auster.»
    Ich sagte nichts. Ich sah zu, wie sie den Lippenstift nahm und einen Bogen über ihren harten Mund malte. «Ich habe sie nie gesehen», sagte sie, während sie die Wirkung im Spiegel begutachtete, «aber ich glaube, sie muß einen ungewöhnlichen Liebreiz besessen haben. Sehr elegant und in jeder Hinsicht eine blendende Erscheinung. Sie pflegten phantastische Gesellschaften auf Manderley zu geben. Das Ende kam dann sehr plötzlich und tragisch, und ich glaube, er betete sie an. Ich brauche zu diesem leuchtenden Rot den dunkleren Puder, meine Liebe. Wollen Sie ihn mir bitte holen.»
    Und wir beschäftigten uns dann mit Puder, Parfüm und Rouge, bis es klingelte und ihre Besucher kamen. Ich reichte die Cocktails herum, mechanisch, ohne viel zu sagen; ich wechselte die Platten auf dem Grammophon, ich leerte die Aschenbecher. Ich war gar nicht da, ich spürte in meinen Gedanken einem Phantom nach, dessen Schattengestalt endlich Form angenommen hatte. Die Züge waren verschwommen, die Farben unscharf, die Stellung der Augen und die Beschaffenheit des Haares noch nicht zu erkennen.
    Diese Schattengestalt besaß eine Schönheit, die nicht verging, und ein Lächeln, das nicht vergessen war. Irgendwo weilte der Klang ihrer Stimme noch, die Erinnerung an ihre Worte.
    Es gab Plätze, die sie besucht, und Dinge, die sie berührt hatte. In meinem Schlafzimmer, unter meinem Kopfkissen, lag das Buch, das sie in der Hand gehalten hatte, und ich konnte sie sehen, wie sie jene erste leere Seite aufschlug und lächelte, als sie schrieb und die gespaltene Feder schüttelte. Max von Rebecca. Es mußte sein Geburtstag gewesen sein, und sie hatte das Buch mit ihren anderen Geschenken auf den Frühstückstisch gelegt.
    Und sie hatten zusammen gelacht, als er das Papier und die Schnur entfernte. Vielleicht beugte sie sich über seine Schulter, während er las. Max. Sie nannte ihn Max. Das war vertraut, heiter und ging leicht über die Lippen. Die Familie konnte ihn Maxim nennen, wenn sie dazu Lust hatte. Großmütter und Tanten; und Menschen wie ich: still und langweilig und jung, die keine Rolle spielten. Sie hatte sich für Max entschieden, das Wort war ihr Besitz, sie hatte es mit solcher Selbstverständlichkeit auf die erste Seite geschrieben in jener kühnen, schrägen Schrift, die das unberührte weiße Papier verletzte: ein Sinnbild ihrer selbst, so sicher, so zuversichtlich.
    Wie oft mußte sie so an ihn geschrieben haben, in wie vielen verschiedenen Stimmungen!
    Kleine Mitteilungen, auf Zettel gekritzelt, und Briefe, wenn er verreist war. Seite auf Seite, zärtlich intim, ihre Gemeinsamkeiten. Und ihre Stimme und ihr Echo in Haus und Garten, unbeschwert und vertraut wie die Schriftzüge in dem Buch.
    Und ich mußte ihn Maxim nennen.

6
    Packen. Die aufreibende Plackerei, die einer Abreise vorausgeht. Verlegte Schlüssel, noch unbeschriebene Anhängeadressen, Seidenpapier, das auf dem Boden he-rumliegt. Ich hasse das alles. Auch jetzt noch, obwohl ich es doch so häufig erlebt habe und obwohl ich aus den Koffern lebe, wie man zu sagen pflegt. Selbst heute, wo das Schließen von Schubladen und das Aufreißen einer Hotel-schranktür oder der unpersönlichen Schreibtischfächer einer möbliert gemieteten Villa zu einer stets gleichbleiben-den Gewohnheit geworden ist, empfinde ich Trauer und ein Gefühl von Verlust.

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