Rebecca
Tauben. Es war so friedlich und wundervoll still. Ich überlegte mir, woran es wohl lag, daß man die Schönheit der Natur so viel stärker empfindet, wenn man allein ist. Nein, ich wollte keinen Menschen bei mir haben, nicht einmal Maxim.
Wenn Maxim dagewesen wäre, hätte ich nicht so faul mit geschlossenen Augen, einen Grashalm zwischen den Lippen, auf dem Rücken gelegen. Ich hätte ihn beobachtet, ihn forschend betrachtet und mich gefragt, ob er sich auch wohl fühlte oder ob er sich langweilte und worüber er wohl nachdachte. So aber konnte ich mich ausstrecken und vor mich hin dösen, weil das jetzt alles unwesentlich war. Maxim war in London. Wie schön war es doch, wieder allein zu sein. Nein, so hatte ich es nicht gemeint, das war lieblos und häßlich von mir. Das hatte ich nicht denken wollen. Maxim bedeutete mir alles auf der Welt. Ich stand auf und befahl Jasper, sich ebenfalls zu erheben.
Dann gingen wir zusammen durch das Tal zum Strand hinunter. Es war Ebbe, und das Meer lag ganz ruhig und wie in einen Dunstschleier gehüllt da. Hier in der Bucht sah es wie ein stiller Binnensee aus. Es war völlig windstill, und die Sonne glitzerte auf dem Wasser, das sich mit leichtem Wellenschlag in die Tümpel zwischen den Felsen ergoß. Jasper rannte sofort, sich wiederholt nach mir um-sehend, das eine Ohr zurückgelegt, was ihm ein merkwürdig verwegenes Aussehen gab, auf die Felsen hinauf.
«Nicht da entlang, Jasper!» rief ich.
Natürlich hörte er nicht auf mich, sondern trottete dick-köpfig davon. «Was für ein Plagegeist!» sagte ich laut und kletterte hinter ihm her, während ich mir einredete, daß ich gar nicht zu der anderen Bucht hinüber wollte. Na gut, dachte ich, dann hilft das eben nichts.
Schließlich ist Maxim ja nicht da.
Ich watete durch die Pfützen oben auf den Felsen und summte vor mich hin. Die Bucht drüben sah jetzt bei Ebbe ganz anders aus. Nicht mehr so großartig. In dem kleinen Hafen stand das Wasser kaum drei Fuß hoch. Ein Boot würde bei dem niedrigen Wasserstand gerade noch schwimmen können, schätzte ich. Die Boje war immer noch da. Sie war weiß und grün gestrichen, was ich damals nicht bemerkt hatte. Vielleicht waren mir die Farben so grau vorgekommen, weil es an dem Tag geregnet hatte.
Am Strand war diesmal kein Mensch zu sehen. Ich ging über den Kies zur anderen Seite der Bucht und stieg die niedrige Steinmauer der Mole hinauf. Jasper lief wie aus alter Gewohnheit voraus. Weiter draußen entdeckte ich einen Ring in der Mauer und eine Eisenleiter, die ins Wasser führte. Hier wurde das Segelboot wahrscheinlich festgemacht, dachte ich, und von der Leiter aus konnte man dann hineinsteigen. Die Boje befand sich gerade gegenüber, keine zehn Meter entfernt. Sie trug irgendeine Inschrift, und ich beugte mich vor und verrenkte mir fast den Hals, bis ich die Buchstaben entziffern konnte. «Je reviens.» Was für ein sonderbarer Bootsname! Boote pflegen sonst ganz andere Namen zu haben. Vielleicht war es ein französisches Boot gewesen, ein Fischerboot, das so geheißen hatte. Fischer-boote hatten oft solche Namen. Ja, es war eigentlich ein ganz passender Name für ein Boot. Er hatte nur nicht für das eine Boot gepaßt, das niemals wiederkommen würde.
Man mußte dort draußen hinter dem Leuchtturm am Ende der Landzunge ziemlich naß beim Segeln werden. In der Bucht war das Meer ganz ruhig, aber selbst an diesem windstillen Tag waren da draußen, wo die Strömung stärker war, weiße Schaumkronen auf der Wasserfläche zu sehen. Ein kleines Boot würde, wenn es die geschützte Bucht verlassen hatte und um die Landzunge segeln wollte, mit dem Wind segeln müssen. Die Wellen würden über die Reling schlagen und das Deck entlanglaufen. Die Frau am Steuer hatte sich nach einem solchen Sprühregen Gesicht und Haar trocken gerieben und dann besorgt zum Mast aufgesehen, ob er wohl dem Druck noch standhalten würde. Ich fragte mich, welche Farbe das Boot wohl gehabt hatte. Vielleicht grün und weiß wie die Boje. Nicht sehr groß, hatte Frank gesagt, mit einer kleinen Kajüte.
Jasper schnüffelte an der Eisenleiter. «Komm her», rief ich, «ich habe nicht die Absicht, dich aus dem Wasser zu holen.» Ich ging die Mole entlang zum Strand zurück. Das kleine Haus da oben am Waldrand kam mir nicht mehr so abgelegen und düster vor. Es machte viel aus, ob die Sonne schien oder nicht. Kein Regengetrommel mehr auf dem Dach. Langsam ging ich über den Strand und dann den schmalen Weg
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