Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
«Niemand wird Sie fortholen.
    Aber Sie dürfen nicht in das Bootshaus gehen.»
    Ich drehte mich um, aber er lief mir nach und klopfte mir auf die Hand.
    «Hier», sagte er, «hier habe ich was für Sie.»
    Er lächelte blöde, winkte mir mit dem Finger und lief zum Strand hinunter. Ich folgte ihm, und bei den Felsen bückte er sich und hob einen flachen Stein auf, unter dem ein kleines Häuflein Muscheln lag. Er wählte eine aus und reichte sie mir. «Das ist Ihre», sagte er.
    «Vielen Dank», sagte ich. «Sie ist sehr hübsch.»
    Er grinste wieder und rieb sich das Ohr; seine Angst war offenbar vergessen. «Sie haben Engelsaugen», sagte er.
    Verblüfft blickte ich wieder auf die Muschel. Ich wußte wirklich nicht, was ich darauf erwidern sollte.
    «Sie sind nicht wie die andere», sagte er.
    «Was meinen Sie damit?» fragte ich. «Welche andere?»
    Er schüttelte den Kopf. Seine Augen nahmen wieder den verschmitzten Ausdruck an. Er legte den Zeigefinger gegen seine Nase. «Groß und dunkel war sie», sagte er. «Wie eine Schlange.
    Ich habe sie hier gesehen.» Er hielt inne und sah mich eindringlich an. Ich brachte kein Wort über die Lippen.
    «Ich habe einmal zu ihr hineingesehen», fuhr er fort, «und sie ging gleich auf mich los, jawohl. ‹Du kennst mich nicht, verstanden?› sagte sie. ‹Du hast mich nie hier gesehen und wirst es auch nicht wieder tun. Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du hier in die Fenster siehst, werde ich dich ins Irrenhaus sperren lassen›, sagte sie. ‹Das willst du doch nicht, oder? Sie sind grausam zu den Menschen im Irrenhaus›, sagte sie. ‹Ich werde nie gar nichts sagen, Mad’m›, sagte ich, und ich griff an meine Mütze, so wie jetzt.» Er zog an seinem Südwester. «Jetzt ist sie fort, weit fort, ja?» fügte er ängstlich hinzu.
    «Ich weiß nicht, was Sie meinen», sagte ich langsam. «Niemand wird Sie ins Irrenhaus sperren. Guten Tag, Ben.»
    Ich drehte mich um und ging den schmalen Weg zum Wald zurück, Jasper an meinem Gürtel hinter mir her ziehend. Der arme Kerl, er war natürlich nicht ganz richtig im Kopf und wußte gar nicht, was er da zusammenredete. Es war ziemlich unwahrscheinlich, daß ihm jemand mit dem Irrenhaus gedroht hatte. Maxim und Frank hatten beide gesagt, daß er ganz harmlos sei.
    Vielleicht hatte er einmal bei sich zu Hause gehört, wie darüber gesprochen wurde, und die Erinnerung daran lebte in ihm fort wie ein häßliches Bild im Gedächtnis eines Kindes. Er schien überhaupt die Mentalität eines Kindes zu besitzen, jedenfalls was seine Zu-und Abneigungen anbetraf. Zu mir war er freundlich gewesen, weil ich ihm gesagt hatte, daß er die Angelschnur behalten dürfe. Morgen würde er mich vielleicht schon nicht mehr wiedererkennen. Es war töricht, den Worten eines Schwachsinnigen irgendwelche Beachtung zu schenken. Ich wandte mich um und warf noch einen Blick auf die Bucht. Die Flut kam zurück und umspülte die kleine Mole mit ruhigem Wellenschlag. Ben war hinter den Felsen verschwunden. Der Strand lag wieder einsam da. Durch eine Lücke in den Bäumen konnte ich gerade den steinernen Schornstein des Bootshauses sehen.
    Mich überkam ein unerklärliches Verlangen, davonzulaufen. Ich zog an Jaspers Leine und rannte keuchend den steilen Waldweg hinauf, ohne mich noch einmal umzublicken. Und wenn man mir alle Schätze der Welt angeboten hätte, ich hätte es nicht über mich gebracht, wieder zum Strand und zu dem Bootshaus zurückzukehren. Mir war, als lauere mir dort in dem kleinen verwilderten Garten jemand auf, jemand, der mich heimlich beobachtete und belauschte.
    Ich beeilte mich, aus dem Wald herauszukommen, und war froh, als ich wieder auf dem Rasen angelangt war und das Haus in seiner Mulde so geschützt und geborgen vor mir liegen sah. Ich wollte Robert bitten, mir den Tee zu dem Kastanienbaum hinauszubringen. Ich sah auf die Uhr. Es war früher, als ich gedacht hatte, noch nicht vier. Ich würde mich wohl noch ein bißchen gedulden müssen. Es war nicht üblich auf Manderley, den Tee vor halb fünf zu servieren. Ich war nur froh, daß Frith heute seinen freien Nachmittag hatte. Robert würde nicht so viel Umstände machen, wenn er mir den Tee in den Garten brachte.
    Als ich über den Rasen zur Terrasse ging, sah ich plötzlich durch das Grün der Rhododendronblätter in der Sonne etwas Metallenes aufblitzen. Ich beschattete die Augen mit der Hand, um besser sehen zu können. Es sah wie der Kühler eines Autos aus. Zuerst

Weitere Kostenlose Bücher