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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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Sturm auf. Sie wäre bestimmt nicht aus dem Haus gegangen, wenn ich dagewesen wäre. Sie hat immer auf mich gehört. ‹Ich würde bei einem solchen Wetter nicht weggehen›, hätte ich ihr gesagt, ‹es lohnt sich wirklich nicht›, und sie hätte mir darauf höchstens mit einem ‹Na, gut, Danny, du alter Angst-hase!› geantwortet und wäre geblieben. Und wir hätten uns hier vor dem Schlafengehen noch etwas unterhalten, und sie hätte mir wie immer erzählt, was sie den ganzen Tag in London getan hatte.»
    Mein Arm tat mir richtig weh und fühlte sich unter dem festen Druck ihrer Finger wie gelähmt an. Und immer noch war ihr Gesicht dicht vor mir, und ich sah, wie straff die Haut darüber gespannt war und wie scharf die Backenknochen hervortraten. Und unter ihren Ohren entdeckte ich merkwürdige gelbe kleine Flecken.
    «Mr. de Winter hatte bei Mr. Crawley im Verwalterhaus zu Abend gegessen», fuhr sie wieder fort. «Ich weiß nicht mehr genau, wann er nach Hause kam, aber ich glaube, es war nach elf.
    Und kurz vor Mitternacht fing es an, heftig zu stürmen, und sie war noch immer nicht da. Ich ging nach unten, aber alle Zimmer waren dunkel. Dann ging ich wieder nach oben und klopfte an die Tür des Ankleidezimmers, in dem noch Licht brannte. Mr. de Winter antwortete sofort. ‹Wer ist da?› fragte er. ‹Mrs. Danvers? Was wollen Sie denn?› Ich sagte ihm, daß ich mir Sorgen machte, weil Mrs. de Winter noch nicht wiedergekommen war, und nach einem kleinen Augenblick machte er mir im Schlafrock die Tür auf. ‹Sie wird wohl diese Nacht im Bootshaus schlafen›, sagte er. ‹Ich würde an Ihrer Stelle ruhig zu Bett gehen.
    Bei diesem Wetter wird sie nicht noch einmal durch den Wald gehen wollen.› Er sah müde aus, und ich wollte ihn nicht auch noch beunruhigen. Sie hatte ja auch schon öfters im Bootshaus übernachtet und war schon bei jedem Wetter mit dem Boot draußen gewesen.
    Vielleicht hatte sie gar nicht segeln, sondern nur nach dem Tag in der Stadt etwas frische Luft haben wollen, dachte ich. Ich sagte Mr. de Winter gute Nacht und ging in mein Zimmer zurück. Aber schlafen konnte ich nicht; ich machte mir doch immer wieder Gedanken, wo sie wohl sein mochte.»
    Mrs. Danvers schwieg wieder. Ich wollte auch nichts mehr hören. Ich hatte nur den einen Wunsch, fortzugehen und dieses Zimmer zu verlassen. Aber sie konnte nicht mit dem Erzählen aufhören.
    «Bis halb sechs Uhr morgens saß ich auf meinem Bett», sagte sie, «dann hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich stand auf, nahm meinen Mantel und ging durch den Wald zum Strand. Es wurde bereits hell, und der Wind hatte sich gelegt; aber es nieselte und die Luft war trübe und neblig. Als ich am Strand ankam, sah ich die Boje auf dem Wasser schwimmen und das kleine Ruderboot, aber das Segelboot war fort …» Mir war, als könnte ich die Bucht im Morgengrauen vor mir liegen sehen, das feuchte Geriesel auf meinen Wangen spüren, und als könnte ich, durch den Frühnebel spähend, draußen auf dem Wasser undeutlich
    verschwommen die Umrisse der Boje erkennen.
    Mrs. Danvers gab meinen Arm endlich frei. Ihre Stimme verlor jeden Ausdruck und klang wieder so eintönig und teilnahmslos, wie sie sonst zu sprechen pflegte.
    «Einer von den Rettungsringen wurde am Nachmittag in Kerrith angeschwemmt», sagte sie,
    «und der andere am nächsten Tag von Krabbenfischern in den Felsen unterhalb der Landzunge gefunden. Verschiedene Teile der Takelage wurden von der Flut ebenfalls ans Ufer getrieben.»
    Sie wandte sich von mir ab und schloß die Schublade. Sie rückte einige Bilder gerade und hob ein Wollflöckchen vom Teppich auf. Ich sah ihr zu und wußte nicht, was ich tun sollte.
    «Jetzt wissen Sie», sagte sie, «warum Mr. de Winter die Räume hier im Westflügel nicht mehr benutzen mag. Hören Sie das Meer?»
    Ja, selbst jetzt bei geschlossenen Fenstern und Läden konnte ich es hören, ein dumpfes drohendes Gemurmel, wenn die Wellen sich an den hellen Felsen in der Bucht brachen. Die Flut würde jetzt rasch steigen und den Strand bis nahe an das Bootshaus überschwemmen.
    «Seit jener Nacht, in der sie ertrunken ist, hat er diese Räume nicht mehr betreten», sagte sie.
    «Er ließ seine Sachen aus dem Ankleidezimmer räumen, und wir mußten ihm eines der Zimmer am Ende des Korridors herrichten. Ich glaube nicht, daß er dort viel Schlaf gefunden hat. Er muß die Nächte im Lehnstuhl zugebracht haben, denn morgens lagen rundherum auf dem Boden Zigarettenstummel.

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