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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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nicht vertreiben. Die Vorhänge waren zugezogen und die Läden geschlossen.
    Rebecca würde dieses Zimmer nie wieder betreten. Mochte Mrs. Danvers auch Blumen auf den Kamin stellen und die Bettdecke zu-rückschlagen, sie würde sie damit nicht wieder lebendig machen. Rebecca war tot. Sie war schon vor einem Jahr gestorben und lag neben den anderen toten de Winters in der Familiengruft.
    Ich konnte das Meeresrauschen deutlich hören. Ich trat ans Fenster und stieß die Läden auf.
    Ja, ich stand an demselben Fenster, an dem Mrs. Danvers und Favell vor einer halben Stunde gestanden hatten. Der helle Tagesschein ließ das künstliche Licht unecht und noch gelber erscheinen. Ich machte die Läden noch etwas weiter auf. Das Tageslicht warf einen weißen Schein auf das Bett und auf die Tasche mit dem Nachthemd, die auf dem Kopfkissen lag. Es fiel auf die Glasplatte des Frisiertischs und auf die Bürsten und Parfümflaschen.
    Jetzt erst bemerkte ich, wie mir die Knie zitterten. Ich setzte mich auf den Sessel vor dem Toilettentisch. Mein Herz hatte aufgehört, so laut und heftig zu klopfen, es war schwer wie Blei. Ich sah mich mit einer Art blödem Staunen im Zimmer um. Ja, es war ein sehr schöner Raum; Mrs. Danvers hatte an jenem ersten Abend nicht übertrieben. Sicherlich war es das schönste Zimmer im ganzen Haus. Dieser formvollendete Marmorkamin, das geschnitzte Bett und die schweren Seidenvorhänge, auch die Wanduhr und die Messingleuchter vor mir auf dem Tisch waren Dinge, die ich geliebt und bewundert hätte, hätten sie mir gehört. Aber sie gehörten mir ja nicht, sie gehörten einer anderen. Ich streckte meine Hand aus und strich mit den Fingern über die Haarbürsten. Die eine sah viel gebrauchter aus als die andere. Ich fand das sehr verständlich.
    Man benutzte wohl niemals beide Bürsten gleichzeitig, und wenn sie gewaschen werden sollten, fiel es auf, daß die ei-ne noch ganz sauber und fast unberührt war. Wie blaß und mager mein Gesicht im Spiegel aussah und wie strähnig mir das Haar von der Stirn hing! Sah ich denn immer so aus? Im allgemeinen hatte ich wohl doch etwas mehr Farbe? Bleich und unschön starrte mein Spiegelbild mich an.
    Ich stand wieder auf und befühlte den Morgenrock auf dem Stuhl. Ich hob die Pantoffeln auf und hielt sie ein Weilchen in meiner Hand. Ich empfand eine Art Grauen, das immer stärker wurde, ein Grauen, das in Verzweiflung umschlug. Ich berührte die Steppdecke auf dem Bett und fuhr mit dem Finger den ineinander verschlungenen Buchstaben des Monogramms auf der Nachthemdtasche nach, einem mit Perlgarn gestickten R de W, das reliefartig von dem goldenen Seidenbrokat abstach. Das Nachthemd selbst war aprikosenfarben und so dünn wie Spinnweben. Ich zog es heraus und hielt es einen Augenblick an mein Gesicht. Es fühlte sich ganz kalt an. Aber es haftete ihm noch ein fader, süßlicher Parfümgeruch an, der mich wieder an den Duft der weißen Azaleen erinnerte. Ich faltete es zusammen und legte es in die Tasche zurück, und als ich das tat, bemerkte ich mit einem dumpfen Schmerzgefühl, daß es ganz zerknittert und das feine Gewebe an vielen Stellen schon brüchig war – das Hemd war nicht gewaschen worden, seitdem Rebecca es zum letztenmal getragen hatte …
    Von einem plötzlichen Impuls getrieben, ging ich in den kleinen Vorraum zurück, in dem die Schränke standen. Ich schloß den einen auf. Er hing voller Kleider, wie ich gedacht hatte, Abendkleider offenbar, denn unter den weißen Tüchern sah an dem einen Bügel ein Silberstreifen, an einem anderen ein Stückchen Goldbrokat hervor. Auch ein weinrotes Samtkleid sah ich und eine lange weiße Seidenschleppe, die am Boden schleifte. Und oben auf dem Bord lag ein Fächer aus Straußenfedern.
    Im Schrank roch es merkwürdig muffig. Der zarte Azaleenduft, den ich im Freien als so wohlriechend empfunden hatte, war hier im Schrank ganz schal geworden und wehte mir von den parfümierten Kleidern zwischen den offenen Türen wie verbrauchter Atem entgegen. Ich machte den Schrank zu und ging wieder ins Schlafzimmer. Der Lichtschein aus dem offenen Fenster fiel noch immer auf die goldfarbene Bettdecke und ließ das große schräge R im Monogramm deutlich hervortreten.
    Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, und als ich mich umdrehte, sah ich Mrs. Danvers. Ich werde niemals den eigenartigen, fast krankhaft erregten Ausdruck in ihrem Gesicht vergessen, diesen triumphierenden Blick, mit dem sie mich hämisch anstarrte. Ich

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