Rebecca
fürchtete mich vor ihr.
«Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Madam?» fragte sie.
Ich versuchte sie anzulächeln und brachte es nicht fertig; ich versuchte zu sprechen und konnte es nicht.
«Ist Ihnen nicht gut?» sagte sie nähertretend mit freundlich gedämpfter Stimme. Ich fühlte ihren Atem auf meinem Gesicht und wich vor ihr zurück. Ich glaube, wenn sie mir noch näher gekommen wäre, wäre ich ohnmächtig geworden.
«Mir fehlt gar nichts, Mrs. Danvers», sagte ich schließlich. «Sie haben mich nur etwas erschreckt, weil ich Sie nicht kommen hörte. Ich habe unten vom Rasen aus gesehen, daß die Läden hier nicht dicht waren, und ging hinauf, um sie zu schließen.»
«Ich werde sie schließen», sagte sie und ging leise durch das Zimmer und schlug die Läden zu. In dem gelben künstlichen Licht sah das Zimmer jetzt wieder unwirklich und gespenstisch aus.
Mrs. Danvers kam zu mir zurück und blieb neben mir stehen. Sie lächelte, und ihre Haltung, die mir gegenüber sonst immer so überlegen herablassend gewesen war, bekam auf einmal etwas erschreckend Vertrauliches, geradezu Kriecherisches.
«Warum erzählen Sie mir, daß der Laden nicht dicht war?» sagte sie. «Ich hatte ihn geschlossen, bevor ich aus dem Zimmer ging. Sie haben ihn selbst wieder aufgemacht, nicht wahr? Sie wollten endlich das Zimmer sehen. Warum haben Sie mich nicht schon früher darum gebeten, es Ihnen zu zeigen? Ich wäre jeden Tag bereit gewesen, Sie heraufzuführen.
Sie hätten es mir nur zu sagen brauchen.»
Ich wollte fortlaufen, aber ich konnte mich nicht bewegen, als ob ich von ihr hypnotisiert wäre.
«Aber nun sind Sie ja hier, und jetzt lassen Sie mich Ihnen auch alles zeigen», sagte sie mit honigsüßer, widerlich falscher einschmeichelnder Stimme. «Ich weiß, daß Sie gern alles sehen möchten. Sie wollten es schon lange, nicht wahr, und waren nur zu scheu, es mir zu sagen. Ist es nicht ein entzückendes Zimmer? Sicher das hübscheste Zimmer, das Sie je gesehen haben.»
Sie faßte mich am Arm und führte mich zum Bett. Ich konnte mich ihrer nicht erwehren. Die Berührung ihrer Hand machte mich schaudern, und sie sprach in einem eindringlichen Flüsterton, den ich zugleich verabscheute und fürchtete.
«Hier schlief sie. Ein wunderschönes Bett, nicht wahr? Ich habe diese goldfarbene Überdecke darauf gelegt, weil sie sie am liebsten hatte. Hier in der Tasche ist ihr Nachthemd. Sie haben es sich schon angesehen, nicht wahr? Dieses Nachthemd hat sie zum letztenmal in der Nacht vor ihrem Tod getragen. Wollen Sie es nicht noch einmal anfassen?» sie nahm das Nachthemd aus der Tasche und hielt es mir hin. «Fühlen Sie nur», sagte sie, «wie weich und leicht es ist. Ich habe es nicht mehr gewaschen, seit sie es zum letztenmal getragen hat. Ich habe es hier auf das Kissen gelegt und ihren Morgenrock da auf den Stuhl, genau wie in der Nacht, als sie nicht mehr zurückkehrte – wie in der Nacht, in der sie ertrunken ist.» Sie faltete das Nachthemd zusammen und legte es in die Tasche zurück.
«Ich bin auch ihre Zofe gewesen», sagte sie, während sie mich wieder am Arm nahm und zu dem Stuhl mit dem Morgenrock führte. «Wir haben es mit den verschiedensten Mädchen versucht, aber keine konnte es ihr recht machen. ‹Du verstehst dich viel besser darauf, Danny›, sagte sie zu mir, ‹ich mag gar keinen anderen Menschen um mich haben.› Sehen Sie, das ist ihr Morgenrock. Sie war viel größer als Sie, das sieht man an der Länge. Halten Sie ihn sich doch mal an. Ja, Ihnen reicht er bis zu den Füßen. Sie hatte eine wunderbare Figur.
Und das sind ihre Pantoffeln. ‹Wirf mir mal meine Pantöffelchen herüber, Danny›, sagte sie immer. Sie hatte sehr kleine Füße für ihre Größe. Legen Sie mal die Hand hinein. Sie sind klein und schmal, nicht wahr?»
Lächelnd, ohne mich aus den Augen zu lassen, schob sie mir die Pantoffeln über die Hände.
«Ja, sie hatte auffallend kleine Füße, das hätte man bei ihrer Größe nie gedacht. Und wie schlank sie dabei war! Wenn sie nicht neben mir stand, vergaß ich ihre Länge immer. Sie war auf den Zentimeter genauso groß wie ich. Aber wenn sie im Bett lag, sah sie beinahe winzig aus, mit dieser dichten schwarzen Lockenfülle, die ihr Gesicht wie ein dunkler Heiligen-schein umrahmte.»
Sie stellte die Pantoffeln auf den Boden und hängte den Morgenrock wieder über den Stuhl.
«Haben Sie sich ihre Bürsten angesehen?» fragte sie, während sie mich zur Frisiertoilette
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