Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
entschied Rebecka, »wir räumen hier in der Küche auf, dann gibt es etwas zu Essen, und danach machen wir auf dem Herd Wasser heiß und waschen Lova und Tjapp.«
»Und ich brauch ein neues Hemd«, sagte Lova. »Schau mal.«
Sie öffnete ihre Decke und zeigte ein mit Schmierseife verklebtes T-Shirt.
»Und du brauchst ein neues Hemd«, seufzte Rebecka erschöpft.
Eine Stunde später stopften Lova und Sara sich mit Würstchen und Kartoffelpüree voll. Lova trug eine Jeans, die einer Kusine von Rebecka gehört hatte, und dazu ein verwaschenes blassrosa T-Shirt mit Asterix und Obelix. Tjapp saß auf dem Boden und wartete geduldig auf ihren Anteil. Das Feuer im Kamin knisterte und knackte.
Rebecka schaute verstohlen auf die Uhr. Schon sieben. Sie und Sanna mussten ja auch noch zur Polizei. Der Stress machte ihr Magenbeschwerden.
Sara beschnupperte Lovas Hemd.
»Du stinkst«, sagte sie.
»Tut sie nicht«, seufzte Rebecka. »Die Sachen riechen ein bisschen muffig, weil sie so lange in der Kommode gelegen haben. Aber ihre eigenen sind noch schlimmer, deshalb haben wir keine andere Wahl. Gebt Tjapp die restlichen Würstchen.«
Sie ließ die Mädchen in der Küche sitzen, ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
»Sanna«, sagte sie.
Sanna rührte sich nicht. In derselben Haltung wie zuvor starrte sie die Wand an.
Rebecka trat ans Bett und verschränkte die Arme.
»Ich weiß, dass du mich hörst«, sagte sie mit harter Stimme.
»Ich bin nicht mehr dieselbe wie früher, Sanna. Ich bin seit damals gemeiner und ungeduldiger geworden. Ich habe nicht vor, mich zu dir zu setzen und deine Haare zu streicheln und dich zu fragen, was denn bloß los ist. Du kannst jetzt sofort aufstehen und dich anziehen. Wenn nicht, dann fahre ich mit deinen Töchtern zur Notdienststelle des Jugendamtes und teile dort mit, dass du dich im Moment nicht um sie kümmern kannst. Und danach setze ich mich ins nächste Flugzeug nach Stockholm.«
Noch immer keine Antwort. Keine Bewegung.
»Na gut«, sagte Rebecka nach einer Weile.
Sie holte Atem, um klarzustellen, dass sie nicht länger warten würde. Dann drehte sie sich um und ging auf die Tür zur Küche zu.
Das war’s dann also, dachte sie. Ich rufe die Polizei an und sag ihnen, wo sie ist. Sollen die sie doch hier rausholen.
Sie hatte gerade die Hand auf die Türklinke gelegt, als sie hörte, dass Sanna sich im Bett hinter ihr aufsetzte.
»Rebecka«, sagte Sanna nur.
Rebecka zögerte eine halbe Sekunde. Dann drehte sie sich um und lehnte sich an die Tür. Ihre Arme verschränkten sich wieder vor ihrer Brust. Sie kam sich vor wie eine Mutter, die fragen möchte, was das Kind denn nun eigentlich will.
Und Sanna nagte wie ein kleines Mädchen an ihrer Unterlippe und schaute sie flehend an.
»Verzeihung«, murmelte sie mit ihrer vagen Stimme. »Ich weiß, ich bin die mieseste Mutter der Welt und eine noch viel schlechtere Freundin. Hasst du mich jetzt?«
»Du hast drei Minuten, um dich anzuziehen und zum Essen in die Küche zu kommen«, erklärte Rebecka und marschierte aus der Kammer.
SVEN-ERIK STÅLNACKE hatte seinen Wagen vor dem Eingang zur Ambulanz abgestellt. Anna-Maria wartete vor der Autotür, während er in seiner Jackentasche nach den Schlüsseln wühlte. Es war nicht so leicht, in dieser stechend kalten Luft tief durchzuatmen, aber sie musste versuchen, sich zu entspannen. Ihr Bauch war während des kurzen Weges von der Obduktionsabteilung zum Auto hart wie ein Schneeball geworden.
»Die Kirche der Kraftquelle hat drei Pastoren«, sagte Sven-Erik und suchte in seiner anderen Tasche. »Sie haben mitteilen lassen, dass sie die Polizei zu einem Gespräch empfangen können. Sie können aber nur eine Stunde für uns freimachen. Und sie haben nicht vor, sich getrennt vernehmen zu lassen, sondern wollen zu dritt mit uns reden. Sie bezeichnen sich als kooperativ, aber …«
»… aber sie sind nicht kooperativ«, fügte Anna-Maria hinzu.
»Ja, zum Teufel, was sollen wir denn machen?«, fragte Sven-Erik. »Sollen wir ihnen die Zähne zeigen oder was?«
»Nein, dann wird die ganze Gemeinde zuschnappen wie eine Muschel. Aber ich wüsste ja zu gern, warum sie nicht jeder für sich mit uns reden wollen.«
»Keine Ahnung. Einer hat eine Erklärung versucht. Gunnar Isaksson heißt er. Aber ich habe kein Wort davon verstanden. Du kannst ihn ja fragen, wenn wir uns mit ihnen treffen. Verdammt, Anna-Maria, ich hätte sie heute Morgen gleich aus den Betten zerren
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