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Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Titel: Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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Meter weit zu tragen. Der Schnee isolierte alle Geräusche, und als sie nun in die Finsternis hineinhorchte, war alles unangenehm still. Sie musste alle Kraft zusammennehmen, um noch einmal zu rufen. Es war scheußlich, im grellen Lampenlicht auf der Treppe vor der Tür zu stehen und zu rufen, während der Wald sie pechschwarz und schweigend umstand.
    »Tjapp, komm her! Tjapp!«
    Blöde Töle! Sie trat einen Schritt von der Treppe, um einmal um den Hof herumzugehen, hielt aber inne.
    Hör auf mit diesen Albernheiten, ermahnte sie sich, sie wagte es jedoch nicht, die Treppe zu verlassen oder noch einmal zu rufen. Sie konnte das Bild des Zettels an ihrem Auto nicht verdrängen. Das Wort »Blut«, geschrieben in unbeholfenen Buchstaben. Sie dachte an Viktor. Und an die Kinder im Haus. Sie ging rückwärts die Treppe zur Haustür hoch. Brachte es nicht über sich, dem Unbekannten, das vielleicht dort draußen lauerte, den Rücken zuzukehren. Als sie das Haus betreten hatte, schloss sie die Tür von innen ab und stürzte die Treppe ins Obergeschoss hoch. Sie blieb in der Diele stehen und rief Sivving an. Er kam nach fünf Minuten herüber.
    »Sie ist sicher läufig«, sagte er. »Und Not leidet sie bestimmt nicht. Eher im Gegenteil.«
    »Aber es ist doch so kalt«, wandte Rebecka ein.
    »Wenn es ihr zu kalt wird, dann kommt sie nach Hause.«
    »Du hast wohl Recht«, seufzte Rebecka. »Aber es ist so komisch hier ohne sie.«
    Sie zögerte eine Sekunde. »Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte sie dann. »Warte hier, die Mädchen sollen es nicht sehen.«
    Sie lief hinaus zum Auto und holte den Zettel, der an ihrem Scheibenwischer gesteckt hatte.
    Sivving las ihn mit gerunzelter Stirn.
    »Hast du das der Polizei gezeigt?«
    »Nein, was könnte die schon tun?«
    »Dich unter ihren Schutz stellen oder so.«
    »Deshalb? Nein, so weit reichen ihre Mittel nicht. Aber das ist noch nicht alles.«
    Sie erzählte von der Ansichtskarte in Viktors Bibel.
    »Wenn die jetzt von jemandem geschrieben worden ist, der ihn geliebt hat?«
    »Ja?«
    »Was wir getan haben, war nicht falsch in Gottes Augen. Ich weiß nicht, aber Viktor hatte doch nie eine Freundin. Und ich stelle mir vor, dass vielleicht … ja, mir ist der Gedanke gekommen, dass jemand ihn vielleicht vergeblich geliebt hat. Und vielleicht bedroht dieser Jemand jetzt mich, weil er sich selber bedroht fühlt.«
    »Ein Mann?«
    »Genau. Das würde die Gemeinde niemals akzeptieren. Er würde sofort hinausgeworfen werden. Und wenn es so war und Viktor die Sache geheimhalten wollte, dann will ich damit nicht vor den Augen der Polizei herumwedeln, ohne dazu gezwungen zu sein. Denk doch bloß an die Schlagzeilen!«
    Sivving stieß ein besorgtes Grunzen aus und fuhr sich mit der Hand über den Kopf.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte er. »Wenn dir nun etwas passiert?«
    »Mir passiert nichts. Aber ich mache mir Sorgen um Tjapp.«
    »Sollen Bella und ich hier übernachten?«
    Rebecka schüttelte den Kopf.
    »Sie kommt bald wieder«, sagte Sivving beruhigend. »Ich drehe noch eine Runde mit Bella. Und dann rufe ich nach ihr.«
     
    Aber Sivving irrt sich. Tjapp kommt nicht zurück. Sie liegt auf einem Flickenteppich im Kofferraum eines Autos. Ihre Schnauze ist mit Klebeband umwickelt. Ihre Vorder- und Hinterbeine auch. Ihr Herz hämmert in dem kleinen Brustkorb, und ihre Augen starren in die schwarze Finsternis. Sie rutscht in dem engen Gelass vorwärts und zieht den Kopf über den Boden, in dem verzweifelten Versuch, sich von dem Klebeband um ihre Schnauze zu befreien. Ein Zahn ist halb abgebrochen, und Zahnreste und Blut geraten in ihre Kehle. Wie kann diese Hündin ein so leichtes Opfer werden? Wo sie doch von ihrem früheren Besitzer so oft misshandelt worden ist. Warum nimmt sie das Böse nicht wahr, wenn sie ihm glatt in die Arme läuft? Weil sie die Fähigkeit besitzt zu vergessen. Genau wie ihr Frauchen. Sie vergisst. Bohrt ihre Schnauze in federleichten Schnee und begrüßt alle, die sich über sie beugen und eine Hand ausstrecken. Und jetzt liegt sie hier.

Und es ward Abend, und es ward Morgen, das war der vierte Tag.
    MÅNS WENNGREN FÄHRT aus dem Schlaf. Sein Herz hämmert wie besessen. Seine Lunge schreit nach Luft. Er tastet nach der Nachttischlampe und schaltet sie ein. Es ist zwanzig nach drei. Verdammt nochmal, wie soll man schlafen, wenn das Gehirn einen Horrorfilm nach dem anderen ablaufen lässt? Zuerst brach ein Auto durch das dünne Eis auf dem See vor dem

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