Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
zusammen mit Sanna im Warteraum hinter dem Gerichtssaal. Zwei Wachen standen bereit, um Sanna zum Transportfahrzeug zu führen und dann zur Wache zurückzufahren.
»Wir legen natürlich Widerspruch ein«, sagte Rebecka.
Sanna drehte zerstreut eine Locke zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Meine Güte, dieser junge Typ, der Protokoll geführt hat, der hat mich ja vielleicht angestarrt. Ist dir das aufgefallen?«
»Du willst doch, dass ich Widerspruch einlege, oder?«
»Er hat mich angesehen, als ob wir alte Bekannte wären, aber ich kenne ihn wirklich nicht.«
Rebecka ließ wütend ihre Aktentasche zuschnappen.
»Sanna, du stehst unter Mordverdacht. Alle im Gerichtssaal haben dich angesehen. Soll ich Widerspruch einlegen oder nicht?«
»Doch, sicher, natürlich«, sagte Sanna mit einem Blick zu den Wärtern. »Fahren wir?«
Als sie verschwunden waren, blieb Rebecka stehen und starrte die Tür an, die zum Parkplatz führte. Die Tür zum Gerichtssaal hinter ihr wurde geöffnet. Als sie sich umdrehte, begegnete sie Anna-Maria Mellas forschendem Blick.
»Wie geht’s?«
»Naja«, gab Rebecka mit einer Grimasse zu. »Und selbst?«
»Tja … naja.«
Anna-Maria ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie zog den Reißverschluss ihrer voluminösen Daunenjacke auf und ließ ihren Bauch heraus. Danach riss sie sich die grauweiße Strickmütze vom Kopf, strich sich aber die Haare nicht glatt.
»Ehrlich gesagt sehne ich mich danach, wieder Mensch zu sein«, sagte sie.
»Mensch zu sein, was bedeutet das?«, fragte Rebecka lächelnd.
»Priemen und Kaffee trinken zu können wie alle Welt«, sagte Anna-Maria lachend.
Ein junger Mann von vielleicht zwanzig erschien mit einem Block in der Hand in der Türöffnung.
»Frau Martinsson?«, fragte er. »Haben Sie eine Minute Zeit?«
»Nachher«, sagte Anna-Maria Mella freundlich.
Sie erhob sich und schloss die Tür.
»Wir werden Sannas Töchter vernehmen«, sagte Anna-Maria ohne Umschweife, als sie sich wieder gesetzt hatte.
»Nein, aber … das soll doch wohl ein Witz sein?«, stammelte Rebecka. »Die wissen doch nichts. Die lagen schlafend in ihren Betten, als er ermordet worden ist. Und soll etwa dieser … soll von Post seine Macho-Verhörmethoden an zwei Mädchen von elf und vier Jahren auslassen dürfen? Und wer soll sich danach um sie kümmern? Du vielleicht?«
Anna-Maria ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken und presste eine Hand unter ihre Rippen.
»Ich habe ja gemerkt, dass du empört darüber warst, wie er mit Sanna gesprochen hat …«
»Ja, wirklich, du vielleicht nicht?«
»… aber ich werde dafür sorgen, dass die Vernehmung der Mädchen so glimpflich abläuft wie irgend möglich. Ein Arzt von der Klinik für Kinderpsychiatrie wird dabei sein.«
»Warum?«, fragte Rebecka. »Warum sollen sie vernommen werden?«
»Du musst doch einsehen, dass uns nichts anderes übrig bleibt. Bei Sanna ist die eine Mordwaffe gefunden worden, aber wir haben keine technischen Beweise dafür, dass sie etwas mit dieser Waffe zu tun hatte. Die andere Mordwaffe haben wir noch nicht gefunden. Wir haben also nur Indizien. Sanna hat erzählt, dass Sara bei ihr war, als sie Viktor gefunden hat, und dass Lova im Pulk lag und schlief. Die Mädchen haben vielleicht etwas Wichtiges gesehen.«
»Sie haben gesehen, wie ihre Mama Viktor umgebracht hat, meinst du?«
»Wir müssen diese Möglichkeit jedenfalls ausschließen können«, sagte Anna-Maria trocken.
»Ich will dabei sein«, sagte Rebecka.
»Natürlich«, antwortete Anna-Maria entgegenkommend.
»Ich werde Sanna Bescheid sagen, ich fahre jetzt ja ohnehin zur Wache. Sie sah ziemlich gefasst aus, fand ich.«
»Sie war überhaupt nicht da«, sagte Rebecka düster.
»Es ist sicher schwer, sich vorzustellen, was sie durchgemacht hat, als sie vor dem Untersuchungsrichter stehen musste.«
»Ja«, sagte Rebecka.
Sie haben sich bei Gunnar Isaksson versammelt. Die Pastoren, die Ältesten Brüder und Rebecka. Rebecka kommt als Letzte, obwohl auch sie zehn Minuten zu früh eintrifft. Sie hört, wie das Gespräch im Wohnzimmer verstummt, als Gunnar die Tür aufmacht.
Weder Gunnars Frau Karin noch die Kinder sind zu Hause, aber in der Küche stehen auf dem runden Esstisch zwei große Thermoskannen. Die eine enthält Kaffee, die andere Teewasser.
Auf einer runden versilberten Platte liegen unter einer gelbweißgestreiften Stoffserviette Plätzchen und Kringel. Karin hat auch Tassen, Untertassen und Löffel bereitgestellt. Sie hat
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