Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
doch denken, was sie wollten. Und was hätte sie sagen sollen?
Mimmi zuckte ebenfalls mit den Schultern.
»Na gut«, sagte sie. »Aber ihr esst beide hier? Oder sollen wir sagen, dass das Essen nur für dich reicht?«
Torsten las die Speisekarte. Rebecka saß ihm gegenüber und sah ihn an. Seine runden Wangen hatten sich vor Glück rosa gefärbt. Die Lesebrille saß gerade so niedrig, wie es nur ging, ohne die Nasenlöcher zuzudrücken. Seine Haare waren zerzaust. Mimmi beugte sich über seine Schulter und zeigte auf die Speisekarte, während sie gleichzeitig laut vorlas. Wie eine Lehrerin einem Schulkind.
Er findet das hier wunderbar, dachte Rebecka.
Die Männer mit ihren groben Armen und den Messern am Gürtel. Die verlegen eine Antwort brummten, als Torsten in seinem grauen Anzug hereinkam und sie fröhlich grüßte. Die fesche Mimmi mit ihren großen Brüsten und der lauten Stimme. So ganz anders als die entgegenkommenden Mädels der Stockholmer Bars! Schon jetzt nahmen in seinem Kopf kleine Berichte Form an.
»Du kannst entweder das Tagesgericht nehmen«, sagte Mimmi und zeigte auf eine schwarze Schiefertafel an der Wand, auf der stand: Mariniertes Elchfleisch mit Pilz- und Gemüserisotto. »Oder es gibt etwas aus der Tiefkühltruhe. Und da hast du dazu die Wahl zwischen Kartoffeln, Reis oder Nudeln.«
Sie zeigte auf die Speisekarte, wo allerlei Gerichte unter der Überschrift »Aus der Tiefkühltruhe« aufgeführt waren: Lasagne, Frikadellen, Blutklöße, Kartoffelklöße mit Speck, Rentiergeschnetzeltes, geräuchertes Rentierfleisch und Klopse.«
»Man sollte vielleicht die Blutklöße probieren«, sagte Torsten hingerissen zu Rebecka.
Die Tür wurde geöffnet, und der hoch gewachsene Junge kam herein. Er blieb neben der Tür stehen. Sein riesiger Körper steckte in einem gestreiften, gut gebügelten und bis zum Hals zugeknöpften Baumwollhemd. Er wagte es nicht, die anderen Gäste wirklich anzusehen. Er hatte den Kopf schräg gelegt, so dass sein breites Kinn auf das längliche Fenster zeigte. Wie auf einen Fluchtweg.
»Aber Teddy!«, rief Mimmi und überließ Torsten seinen Essensüberlegungen. »Du bist aber fein!«
Der große Junge lächelte verschämt und schaute sie ganz schnell an.
»Komm rein, und lass dich ansehen«, rief die Frau mit dem Hund und schob ihren Suppenteller zurück.
Jetzt sah Rebecka, wie ähnlich Mimmi und die Frau mit dem Hund einander sahen. Bestimmt waren sie Mutter und Tochter.
Der Hund zu Füßen der Frau hob den Kopf und schlug zweimal träge mit dem Schwanz. Dann ließ er den Kopf sinken und schlief wieder ein.
Der Junge ging auf die Frau mit dem Hund zu. Sie klatschte in die Hände.
»Was bist du elegant!«, sagte sie. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Was für ein feines Hemd!«
Teddy lächelte geschmeichelt und hob das Kinn zur Decke, in einer seltsamen Pose, die Rebecka an Rudolf Valentino erinnerte.
»Neu«, sagte er.
»Ja, natürlich sehen wir, dass das neu ist«, sagte Mimmi.
»Willst du tanzen gehen, Teddy?«, rief einer der Männer. »Mimmi, nimm fünf Portionen aus der Tiefkühltruhe. Egal, was.«
Teddy zeigte auf seine Hose.
»Auch«, sagte er.
Er hob die Arme und hielt sie gerade von seinem Körper weg, damit alle die Hose richtig sehen konnten. Es waren graue Chinos, die er mit einem Militärgürtel festhielt.
»Die ist auch neu? Großartig«, versicherten die beiden bewundernden Frauen.
»Hier«, sagte Mimmi und zog den Stuhl gegenüber der Frau mit dem Hund hervor. »Dein Papa ist noch nicht da, aber du kannst dich zum Warten doch zu Lisa setzen.«
»Kuchen«, sagte Teddy und setzte sich.
»Natürlich kriegst du Kuchen. Meinst du, ich hätte das vergessen? Nach dem Essen!«
Mimmis Hand hob sich und strich ihm rasch über die Haare. Dann verschwand sie in der Küche.
Rebecka beugte sich über den Tisch zu Torsten vor.
»Ich möchte hier übernachten«, sagte sie. »Du weißt doch, ich bin ein paar Dutzend Kilometer flussaufwärts aufgewachsen, und da ist mir ein wenig nostalgisch. Aber ich fahr dich in die Stadt und hol dich morgen wieder ab.«
»Kein Problem«, sagte Torsten, und seine Abenteuerphantasie erreichte die volle Blüte. »Ich kann auch hier bleiben.«
»Aber das sind hier nicht gerade Himmelbetten, nehme ich an«, versuchte Rebecka ihn zu entmutigen.
Mimmi erschien, sie hatte fünf Aluminiumbehälter unter dem Arm geklemmt.
»Wir würden hier gern übernachten«, sagte Torsten. »Habt ihr freie Zimmer?«
»Tut
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