Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Arbeitsrecht…als Hauptgericht hatte er harte Fakten, Ziffern und Berechnungen serviert. Hatte gezeigt, dass es billiger und besser wäre, Absprachen mit der Kanzlei zu treffen, sich Zugang zur geballten fachlichen Kompetenz zu verschaffen. Zugleich hatte er offen die Nachteile benannt, die leicht wogen, aber dennoch vorhanden waren, und hatte auf diese Weise einen glaubwürdigen und ehrlichen Eindruck gemacht. Sie hatten es hier mit keinem Staubsaugervertreter zu tun. Jetzt war er damit beschäftigt, den Nachtisch auszuteilen. Er brachte ein letztes Beispiel dafür, wie man anderen Gemeinden schon geholfen hatte.
Die Friedhofsverwaltung in einer Gemeinde hatte Unsummen verschlungen. Viele Kirchen und andere Gebäude waren zu unterhalten, Rasen mussten gemäht, Gräber ausgehoben, Wege vom Unkraut befreit, Moos musste von Steinen gekratzt werden, was auch immer, jedenfalls kostete das alles. Viel Geld. In dieser Gemeinde hatte es eine Anzahl von Stellen für Arbeitskräfte gegeben, die der Staat über die Arbeitsämter finanzierte. Egal, wie, der Gemeinde waren für diese Leute keine hohen Lohnkosten entstanden, es spielte also keine Rolle, dass sie vielleicht nicht unbedingt effektiv arbeiteten. Aber danach war die Verantwortung für ihre Weiterbeschäftigung auf die Kirche übergegangen. Jetzt musste die Gemeinde also die gesamten Lohnkosten übernehmen. Viele Angestellte, die Mehrzahl von ihnen schuftete sich nicht gerade zu Tode, wenn er es einmal so offen ausdrücken durfte. Also wurden noch weitere Anstellungen vorgenommen, aber die Arbeitskultur hatte sich inzwischen so entwickelt, dass sie den Neuen nicht gestattete, die Ärmel hochzukrempeln. Wer das tat, wurde mehr oder weniger hinausgeekelt. Es war also schwer, hier etwas auszurichten. Es kam sogar vor, dass Angestellte neben ihrem Vollzeitjob bei der Kirche noch eine weitere volle Stelle hatten. Und nun waren Kirche und Staat plötzlich getrennt, die Gemeinde war autonom und sollte auf ganz neue Weise die finanzielle Verantwortung übernehmen. Die Lösung bestand darin, dass die Kanzlei der Gemeinde geholfen hatte, die Friedhofsverwaltung auf dem freien Markt anzubieten. Genau wie viele Gemeinden das in den vergangenen fünfzehn Jahren gemacht hatten.
Torsten nannte die pro Jahr gesparte Summe auf Kronen und Öre genau. Die Anwesenden wechselten Blicke.
Voll ins Schwarze, dachte Rebecka.
»Und da«, fuhr Torsten fort, »habe ich nicht einmal mit eingerechnet, was die Kirche spart, wenn sie für weniger Angestellte die Arbeitgeberkosten übernehmen muss. Abgesehen davon, dass die Kasse lauter klingelt, wenn man mehr Zeit für die eigentlichen kirchlichen Aufgaben hat und sich den unterschiedlichen geistlichen Bedürfnissen der Gemeindemitglieder widmen kann. Es ist doch nicht der Sinn der Sache, dass ein Probst als Verwaltungschef fungiert, aber oft bleibt ihm nichts anderes übrig.«
Probst Bertil Stensson schob Rebecka einen Zettel hin.
»Jetzt haben Sie uns wirklich Stoff zum Nachdenken gegeben«, stand darauf.
Ach ja?, dachte Rebecka.
Was wollte er? Sollten sie jetzt Zettelchen füreinander schreiben, wie zwei Schulkinder, die Geheimnisse vor der Lehrerin haben? Sie lächelte und nickte kurz.
Torsten kam zum Ende und beantwortete einige Fragen.
Bertil Stensson erhob sich und verkündete, der Kaffee werde draußen in der Sonne serviert.
»Wir hier oben müssen aufpassen«, sagte er. »Wir können unsere Gartenmöbel nicht oft genießen.«
Er wies in Richtung Garten, und während die anderen sich erhoben, nahm er Torsten und Rebecka mit in sein Wohnzimmer. Torsten sollte sich dort das Gemälde von Lars Levi Sunna ansehen. Rebecka Martinsson registrierte einen Blick, der Stefan Wikström galt und der bedeutete: Warte mit den anderen draußen.
»Ich glaube, das ist genau das, was unsere Gemeinden brauchen«, sagte der Probst zu Torsten. »Aber ich brauche Sie eigentlich schon jetzt und nicht erst in einem Jahr, wenn das alles hier Wirklichkeit werden kann.«
Torsten betrachtete das Bild. Es stellte eine sanftäugige Rentierkuh dar, die ihr Kalb säugte. Durch die offene Tür zur Diele sah Rebecka eine Frau, die aus dem Nichts mit einem Tablett mit Thermoskannen und klirrenden Tassen aufgetaucht war.
»Wir haben ja eine sehr schwere Zeit in dieser Gemeinde hinter uns«, sagte jetzt der Probst. »Ich nehme an, Sie haben von dem Mord an Mildred Nilsson gehört.«
Torsten und Rebecka nickten.
»Ich muss ihre Stelle besetzen«, fuhr der Probst
Weitere Kostenlose Bücher