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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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Wasser steht. Vielleicht würde dieser verbissene Zorn sich legen, wenn er einen Sohn hätte, denkt Wolodja.
    Und genau in diesem Moment, bei dem flüchtigen Stoßgebet zur Madonna, dass das Kind im Bauch der Schwägerin ein Junge sein möge, entdeckt er die Wölfin. Sie steht auf dem anderen Ufer am Waldrand und beobachtet die Männer. Nicht weit weg also. Mit schrägen Augen und langen Beinen steht sie da. Ihr Fell ist wollig und winterdick. Lange grobe Silberfäden ragen aus der Wolle hervor. Ihre Blicke scheinen sich zu begegnen. Der Bruder sieht nichts. Er hat ihr den Rücken gekehrt. Ihre Beine sind wirklich sehr lang. Und gelb. Sie sieht aus wie eine Königin. Und Wolodja kniet auf dem Eis vor ihr, wie der Stadtjunge, der er nun einmal ist, mit nassen Handschuhen, die Pelzmütze mit den Ohrenklappen schief auf seinen schweißnassen Haaren.
    Zjoltye nogi , sagt er. Gelbe Beine.
    Aber nur in Gedanken. Seine Lippen bewegen sich nicht.
    Er sagt seinem Bruder nichts. Vielleicht würde Alexander zum Gewehr greifen, das am Rucksack lehnt, und einen Schuss abgeben.
    Dann muss er sie aus den Augen lassen und die Netzschnur packen. Und als er wieder aufblickt, ist sie verschwunden.
    Als Gelbbein dreihundert Meter in den Wald gelaufen ist, hat sie die beiden Männer auf dem Eis schon vergessen. Sie wird nie wieder an sie denken. Nach zwei Kilometern bleibt sie stehen und heult. Die anderen Wölfe aus der Meute antworten, sie sind ein knappes Dutzend Kilometer von ihr entfernt, und sie läuft los. So ist sie. Geht oft ihre eigenen Wege.
    Wolodja wird sich für den Rest seines Lebens an sie erinnern. Wann immer er die Stelle aufsucht, wo er sie gesehen hat, schaut er zum Waldrand hinüber. Drei Jahre später lernt er die Frau kennen, die er heiraten wird.
    Als sie zum ersten Mal in seinen Armen liegt, erzählt er ihr von der Wölfin mit den gelben Beinen.

Mittwoch, 6. September
    DIE BESPRECHUNG ÜBER EINE mögliche Beteiligung an einer juristischen und finanziellen Dachorganisation wurde zu Hause bei Probst Bertil Stensson abgehalten. Anwesend waren Torsten Karlsson, Sozius bei der Kanzlei Meijer & Ditzinger, Stockholm, Rebecka Martinsson, Anwältin derselben Kanzlei, die Pröbste aus Jukkasjärvi, Vittangi und Karesuando, die Gemeindevorstände sowie Pastor Stefan Wikström. Rebecka Martinsson war die einzige Frau. Die Besprechung hatte um acht Uhr begonnen. Jetzt war es Viertel vor neun. Um zehn Uhr sollte es zum Abschluss Kaffee geben.
    Das Esszimmer des Probstes diente als improvisiertes Besprechungszimmer. Die Septembersonne leuchtete durch die mundgeblasenen, unebenen Scheiben der großen Sprossenfenster. Bücherregale reichten bis an die Decke. Nirgendwo gab es Blumen oder Ziergegenstände. Stattdessen lagen die Fensterbänke voller Steine, manche waren rund und glatt, andere rau und schwarz, mit funkelnden roten Granataugen. Auf den Steinen lagen seltsam verbogene Zweige. Auf Rasen und Kies draußen waren Haufen aus gelbem, raschelndem Laub und vom Strauch gefallene Vogelbeeren zu sehen.
    Rebecka saß neben Probst Bertil Stensson. Sie schaute verstohlen zu ihm hinüber. Er war ein jugendlich wirkender Sechzigjähriger. Ein lieber Onkel mit hellsilbernem Lausbubenschopf. Sonnengebräunt, warmes Lächeln.
    Berufslächeln, dachte sie. Es war fast komisch gewesen zuzusehen, wie er und Torsten einander anlächelten. Man hätte die beiden für Brüder oder alte Jugendfreunde halten können. Der Probst schüttelte Torstens Hand und packte zugleich mit der Linken Torstens Oberarm. Torsten hatte entzückt gewirkt. Hatte gelacht und war sich mit der Hand durch die Haare gefahren.
    Sie hätte gern gewusst, ob der Probst Steine und Zweige ins Haus geholt hatte. Ansonsten beschäftigten sich doch eher Frauen mit solchen Dingen. Machten Spaziergänge und sammelten glatte Steine, bis ihre Jacken über den Boden schleiften.
    Torsten hatte seine zwei Stunden gut genutzt. Er hatte rasch sein Jackett abgelegt und war sehr persönlich in seiner Anrede geworden. Unterhaltsam, ohne unseriös oder achtlos zu wirken. Er hatte das gesamte Paket wie ein Essen mit drei Gängen serviert. Als Aperitif hatte er ihnen ein wenig Schmeicheleien aufgetischt, Dinge, die sie schon wussten. Dass sie zu den reichsten Gemeinden des Landes gehörten. Und zu den schönsten. Die Vorspeise bestand aus kleinen Beispielen für Bereiche, in denen die Kirche juristische Kompetenz brauchte, nämlich praktisch in allen, Zivilrecht, Vereinsrecht, Steuerrecht,

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