Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Verwalteramt?«, fragt Mildred. »Wir sollen die Erde hegen und pflegen, und das muss doch auch für von der Ausrottung bedrohte Tierarten gelten. Und wir sollen nicht politisch Stellung beziehen? Wenn die Kirche in früheren Zeiten diese Ansicht vertreten hätte, dann gäbe es heute noch Sklaverei.«
Jetzt müssen sie doch über sie lachen. Sie muss ja wirklich immer übertreiben.
Bertil Stensson schloss die Safetür und sperrte sie ab. Er steckte den Schlüssel in die Tasche. Im Februar hatte Mildred ihre Stiftung ins Leben gerufen. Weder er noch Stefan Wikström hatten Widerstand geleistet.
Die ganze Idee hatte ihn schon geärgert. Und wenn er jetzt zurückblickte und versuchte, ehrlich zu sein, dann ärgerte ihn die Erkenntnis, dass er einfach nur aus Feigheit nicht dagegen war. Er hatte Angst, als Wolfshasser dazustehen und als Gott weiß was. Aber er hatte Mildred immerhin dazu gebracht, einen weniger provozierenden Namen zu wählen als »Stiftung für Wolfsschutz im Norden«, nämlich »Verein für Wildtierschutz«. Und er und Stefan hatten zusammen mit Mildred den Gründungsaufruf unterschrieben.
Und später im Frühling, als Stefans Frau mit den jüngsten Kindern zu ihrer Mutter nach Katrineholm gefahren war und lange fortblieb, hatte Bertil nicht mehr so viel darüber nachgedacht.
Jetzt im Nachhinein machte ihm die Sache natürlich zu schaffen.
Aber Stefan hätte auf jeden Fall etwas sagen müssen, dachte er zu seiner Verteidigung.
REBECKA HIELT AUF DEM HOFPLATZ vor dem Haus ihrer Großmutter in Kurravaara. Teddy sprang aus dem Auto und lief eine neugierige Runde.
Wie ein glücklicher Hund, dachte Rebecka, als sie ihn um die Ecke verschwinden sah.
Gleich darauf hatte sie ein schlechtes Gewissen. Man durfte Teddy doch nicht mit einem Hund vergleichen.
Septembersonne auf grauem Eternit. Der Wind, der gelassen durch das hohe bleiche und unterernährte Herbstgras fuhr. Wenig Wasser, in der Ferne ein Motorboot. Aus einer anderen Richtung Sägegeräusche. Ansonsten Schweigen, Stille. Eine leichte Brise im Gesicht, wie eine behutsame Hand.
Sie schaute wieder zum Haus hinüber. Die Fenster waren in traurigem Zustand. Sie hätten ausgehängt, abgekratzt, gekittet und frisch gestrichen werden müssen. Mit der gleichen dunkelgrünen Farbe wie immer, mit keiner anderen. Sie dachte an die Steinwolle, die im Kellergang klebte, als Schutz gegen die kalte Luft, die sonst hochströmen und Reif an den Wänden bilden und zu grauen Feuchtigkeitsflecken werden würde. Die müsste abgerissen werden. Sie müsste abdichten, isolieren, einen Ventilator einbauen. Einen guten Erdkeller anlegen. Sie müsste das hohläugige Gewächshaus ausräumen, ehe es zu spät wäre.
»Komm, wir gehen rein«, rief sie Teddy zu, der zu Larssons roter Schutzhütte gerannt war und an der Tür rüttelte.
Teddy kam über das Kartoffelfeld getrottet. Seine Schuhe waren unten dick vor Lehm.
»Du«, sagte er und zeigte auf Rebecka, als sie auf die Treppe trat.
»Rebecka«, antwortete Rebecka. »Ich heiße Rebecka.«
Er nickte als Antwort. Würde sie bald wieder fragen. Er hatte schon einige Male gefragt, hatte sie aber noch nicht beim Namen genannt.
Sie gingen die Treppe hoch und in die Küche. Die roch feucht und muffig. Es schien kälter zu sein als draußen. Teddy ging voran. In der Küche öffnete er ungeniert alle Schränke und Schubladen.
Gut, dachte Rebecka. Soll er sie nur aufmachen, dann fliegen alle Gespenster davon.
Sie lächelte seine große, unbeholfene Gestalt an, sein schelmisches Lächeln, das er ab und zu auf sie richtete. Es war schön, ihn bei sich zu haben.
Auch so kann ein Ritter aussehen, dachte sie.
Alles war unverändert. Ein Gefühl der Geborgenheit überkam sie. Legte den Arm um sie. Zog sie aufs Sofa neben Teddy, der eine Bananenkiste mit Comics gefunden hatte. Er suchte die heraus, die er mochte. Sie mussten bunt sein, er zog Donald Duck vor. Agent X9 , Das Phantom und Buster legte er zurück in den Karton. Sie sah sich um. Die blau gestrichenen Stühle um den alten, abgenutzten Ausklapptisch. Der brummende Kühlschrank, die Aufkleber auf den Kacheln über dem schwarzen Näfveqvarnherd, die allerlei Gewürze abbildeten. Neben dem Ofen stand der elektrische Herd mit seinen orangefarbenen und braunen Plastikknöpfen. Überall die Hand der Großmutter. Auf dem Holzgestell über dem Herd drängten sich getrocknete Pflanzen, Töpfe und rostfreie Gefäße. Onkel Affes Frau Inga-Lill hängte die Kräuter noch immer
Weitere Kostenlose Bücher