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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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Mildred, von seiner Frau, seinem Beruf, seiner Berufung, bei der er nur gab und gab und niemals etwas bekam. Und seit Mildreds Tod fühlte er sich auch von seinem Vorgesetzten gefangen, dem Probst Bertil Stensson.
    Bisher war Stefan über das Vater-und-Sohn-Verhältnis erfreut gewesen, das sich zwischen ihnen entwickelt hatte. Aber jetzt fürchtete er, dafür bezahlen zu müssen. Bertil hatte ihn in seiner Gewalt. Er konnte den Blicken der Sekretärinnen ansehen, was Bertil hinter seinem Rücken über ihn sagte. Sie legten den Kopf ein wenig schräg und sahen mitleidig aus. Er konnte Bertil fast hören: »Stefan hat es nicht leicht. Er ist empfindlicher, als man meinen sollte.« Empfindlicher bedeutete schwächer. Dass der Probst ab und zu Stefans Gottesdienste übernommen hatte, war nicht unbemerkt geschehen. Alle waren informiert worden, auf eine scheinbar zufällige Weise. Er kam sich gedemütigt und ausgenutzt vor.
    Ich könnte einfach verschwinden, dachte er plötzlich. Gott kümmert sich auch um den Sperling.
    Mildred. Im Juni war sie verschwunden gewesen. Plötzlich. Aber jetzt war sie wieder da. Das Frauennetzwerk Magdalena war wieder auf die Beine gekommen. Sie verlangten lauthals nach weiteren weiblichen Geistlichen. Und Bertil schien schon vergessen zu haben, wie sie wirklich gewesen war. Wenn er jetzt über sie sprach, dann mit Wärme in der Stimme. Sie hatte ein großes Herz, seufzte er. Sie sei als Seelsorgerin begabter gewesen als er selbst, gab er großzügig zu. Aber damit sagte er auch, dass sie begabter gewesen sei als Stefan, denn Bertil war ein besserer Seelenhirte als er.
    Ich bin immerhin kein Lügner, dachte Stefan wütend. Sie war eine aggressive Streithenne, sie zog verletzte Frauen an sich und gab ihnen Feuer statt Salbe. Der Tod konnte an dieser Tatsache nichts ändern.
    Es war ein unangenehmer Gedanke, dass Mildred verletzte Menschen in Brand gesteckt hatte. Viele würden vielleicht behaupten, sie habe auch ihn in Brand gesteckt.
    Aber ich bin nicht verletzt, dachte er. Das war nicht der Grund.
    Er starrte in den Safe. Dachte an den Herbst vor einigen Jahren.
    Probst Bertil Stensson hat Stefan Wikström und Mildred Nilsson zu sich bestellt. Anwesend ist auch noch Kontraktprobst Mikael Berg, der für Personalfragen zuständig ist. Mikael Berg sitzt steif auf seinem Stuhl. Er ist um die fünfzig. Seine Hose ist zehn bis fünfzehn Jahre alt. Und damals, beim Kauf, wog Mikael zehn bis fünfzehn Kilo mehr. Seine schütteren Haare kleben an seiner Kopfhaut. Ab und zu schnappt er nach Luft. Er hebt die Hand, weiß nicht, wohin damit, fährt sich über den Kopf, lässt sie wieder auf sein Knie sinken.
    Stefan sitzt ihm gegenüber. Denkt, dass er Ruhe bewahren muss. Während des ganzen Gesprächs, das jetzt vor ihm liegt, wird er Ruhe bewahren. Sollen die anderen nur laut werden, er ist nicht so.
    Sie warten auf Mildred. Sie kommt direkt von einer Schulandacht und hat angekündigt, dass sie sich wohl einige Minuten verspäten wird.
    Bertil Stensson schaut aus dem Fenster. Runzelt die Stirn.
    Dann kommt Mildred. Klopft und öffnet gleichzeitig die Tür. Rote Wangen. Die feuchte Luft draußen hat ihre Haare gekräuselt.
    Sie wirft ihre Jacke auf einen Stuhl, schenkt sich aus der Thermoskanne Kaffee ein.
    Bertil Stensson erklärt, worum es geht. Die Gemeinde droht sich zu spalten, sagt er. In eine Mildred-Fraktion und in – er sagt nicht, eine Stefan-Fraktion – den Rest.
    »Ich freue mich über das Engagement, das du hervorrufst«, sagt er zu Mildred. »Aber für mich ist diese Situation unhaltbar. Es sieht aus wie ein Krieg zwischen der feministischen Pastorin und dem frauenfeindlichen Pastor.«
    Stefan wäre fast in die Luft gegangen.
    »Ich bin nun wirklich nicht frauenfeindlich«, sagt er bestürzt.
    »Nein, aber so kommt es eben an«, sagt Bertil Stensson und schiebt ihm die Lokalzeitung vom Montag hin.
    Niemand braucht hinzusehen. Alle haben den Artikel gelesen. »Pastorin antwortet auf Vorwürfe«, lautet die Überschrift. Im Artikel wird Mildreds Predigt der vergangenen Woche zitiert. Sie hat erzählt, dass die Stola der römischen Frauentracht entlehnt ist. Dass sie seit dem 4 . Jahrhundert zur liturgischen Kleidung gehört. »Die heutigen Gewänder der Geistlichen sind also eigentlich Frauenkleider, weiß Mildred Nilsson zu berichten«, steht im Artikel. »Ich kann männliche Geistliche trotzdem akzeptieren, es steht doch geschrieben: Hier gibt es weder Mann noch Frau, weder Juden noch

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