Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
ab und legte den Schlauch hin, als Anna-Maria auf den Hofplatz fuhr. Er war ein wenig klein geraten, sah aber stark aus. Er krempelte sich die Hemdsärmel hoch, als sie aus dem Wagen stieg. Wollte wohl seine Muskeln zeigen.
»Fahren Sie aber eine Dampflok«, scherzte er.
Gleich darauf bemerkte er, dass er es mit einer Polizistin zu tun hatte. Sie sah, wie sich sein Gesicht veränderte. Jetzt zeigte es eine Mischung aus Verachtung und Schläue. Anna-Maria ging auf, dass es besser gewesen wäre, Sven-Erik mitzunehmen.
»Ich glaube nicht, dass ich Lust habe, hier irgendwelche Fragen zu beantworten«, sagte Magnus Lindmark, noch ehe sie den Mund aufgemacht hatte.
Anna-Maria stellte sich vor. Zeigte auch ihren Dienstausweis, den sie normalerweise nicht unnötig durch die Gegend schwenkte.
Was mache ich jetzt, überlegte sie. Ich kann ihn ja nicht zwingen.
»Lassen Sie mich raten«, sagte er, verzog das Gesicht zu einer gekünstelten Denkermiene und rieb sich das Kinn mit dem Zeigefinger. »Eine Pfaffenfotze, die bekommen hat, was sie verdient hat, vielleicht? Und wenn ich mir das genauer überlege, dann habe ich keine Lust, darüber zu reden.«
Oh, dachte Anna-Maria. Der genießt diesen Moment.
»Na gut«, sagte sie und lächelte freundlich. »Dann setze ich mich in meine Dampflok und töffe wieder weg.«
Sie machte kehrt und ging zum Auto.
Er wird rufen, konnte sie gerade noch denken.
»Wenn ihr den Kerl findet, der es war«, rief er, »dann sagt Bescheid, damit ich ihm die Hand schütteln kann.«
Sie ging weiter auf ihr Auto zu. Drehte sich, die Hand auf dem Türgriff, zu ihm um. Sagte nichts.
»Sie war eine miese Nutte, die es nicht anders verdient hat. Haben Sie keinen Notizblock? Schreiben Sie das auf.«
Anna-Maria zog einen Block und einen Stift aus der Tasche. Kritzelte »miese Nutte«.
»Sie scheint viele gegen sich aufgebracht zu haben«, sagte sie wie an sich selbst gerichtet.
Er kam auf sie zu, trat drohend vor sie.
»Das kann ich Ihnen sagen, verdammt.«
»Warum sind Sie so wütend auf sie?«
»Wütend«, fauchte er. »Wütend, das bin ich auf meine Hündin, wenn sie wie blöd einem Eichhörnchen hinterherbellt. Ich bin kein Heuchler, ich gebe gern zu, dass ich sie gehasst habe. Und ich war da nicht der Einzige.«
Red weiter, dachte Anna-Maria und nickte verständnisvoll.
»Warum haben Sie sie gehasst?«
»Weil sie meine Ehe ruiniert hat, deshalb! Weil mein Junge mit elf Jahren angefangen hat, ins Bett zu pissen. Wir hatten Probleme, Anki und ich, aber nachdem sie mit Mildred gesprochen hatte, konnte von einer Lösung keine Rede mehr sein. Ich sagte: Willst du zur Familienberatung? Ich tu, was du willst. Aber nein, diese verdammte Pastorin hat ihr den Kopf verdreht, bis sie mich verlassen hat. Und die Kinder hat sie mitgenommen. Sie hätten nicht gedacht, dass die Kirche so was macht, oder?«
»Nein. Aber Sie…«
»Anki und ich haben uns gestritten, das schon. Aber Sie und Ihr Alter streiten sich doch sicher auch ab und zu?«
»Oft. Aber Sie waren also so wütend, dass Sie…«
Anna-Maria unterbrach sich und blätterte in ihrem Block.
»…ihren Schuppen angesteckt, ihre Reifen zerstochen, die Fenster in ihrem Gewächshaus eingeschlagen haben.«
Magnus Lindmark lächelte sie strahlend an und sagte gelassen: »Aber das war doch nicht ich.«
»Ach, und was haben Sie in der Nacht vor Mittsommer gemacht?«
»Hab ich schon gesagt, bei einem Kumpel übernachtet.«
Anna-Maria las in ihrem Block.
»Fredrik Korpi. Übernachten Sie oft bei Ihren Kumpels?«
»Wenn man so verdammt breit ist, dass man nicht mehr nach Hause fahren kann…«
»Sie sagen, Sie seien nicht der Einzige gewesen, der sie gehasst hat. Wer waren die anderen?«
Er machte eine fegende Armbewegung.
»Alle Welt.«
»Sie war sehr beliebt, habe ich gehört.«
»Bei tausend hysterischen Weibsbildern.«
»Und etlichen Männern.«
»Die auch nur hysterische Weibsbilder sind. Fragen Sie irgendeinen, entschuldigen Sie den Ausdruck, echten Kerl, dann werden Sie es schon hören. Sie hatte es doch auch auf die Jagdgesellschaft abgesehen. Wollte die Pacht beenden und weiß der Teufel. Aber wenn Sie glauben, dass Torbjörn sie umgebracht hat, dann liegen Sie total falsch.«
»Torbjörn?«
»Torbjön Ylitalo, der von der Kirche angestellte Förster und Vorsitzende des Jagdvereins. Sie haben sich im Frühjahr schrecklich gefetzt. Er hätte ihr garantiert gern die Büchse in den Schlund gehalten. Verdammt, wie sie da mit
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