Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
sollen? Die nasse Unterhose zusammenknüllen und unters Bett pfeffern? Oder aus dem Fenster vielleicht?
»Also«, fragte sie kurz. Sie mochte nicht höflich sein.
»Es geht um die Kopien, die du mir gegeben hast«, erklärte Anna-Maria Mella. »Daran kapier ich so einiges nichts.«
Rebecka umfasste ihre Knie.
Aber warum, dachte sie. Warum muss man sich erinnern? In Gedanken alles wieder und wieder durchgehen? Was soll das bringen? Wer kann garantieren, dass es hilft? Dass man nicht einfach nur in der Finsternis ertrinkt?
»Wisst ihr…«, begann sie.
Sie sprach mit sehr leiser Stimme. Sven-Erik sah ihre dünnen Finger an, die ihre Kniescheiben umklammerten.
»Ich muss euch bitten zu gehen«, sagte Rebecka jetzt. »Ich habe euch die Kopien und die Briefe gegeben. Ich habe sie durch ein Vergehen an mich gebracht. Wenn das herauskommt, bin ich meinen Job los. Außerdem wissen die Leute hier nicht, wer ich bin. Also, sie wissen, wie ich heiße. Aber sie wissen nicht, dass ich mit der Sache draußen in Jiekajärvi zu tun hatte.
»Bitte«, flehte Anna-Maria und blieb wie angewachsen auf ihrem Hintern sitzen, obwohl Sven-Erik sich schon erheben wollte. »Ich muss mir wegen einer ermordeten Frau den Kopf zerbrechen. Wenn jemand fragt, was wir hier wollten, dann sag, dass wir einen entlaufenen Hund suchen.«
Rebecka sah sie an.
»Sehr gut«, sagte sie langsam. »Zu zweit und in Zivil auf der Suche nach einem entlaufenen Hund. Da sollten die Polizeibehörden aber wirklich mal überlegen, ob sie ihre Mittel sinnvoll einsetzen.«
»Es könnte doch mein Hund sein«, sagte Anna-Maria stur.
Sie schwiegen eine Weile. Sven-Erik hätte vor Unbehagen sterben mögen, wie er da auf der Bettkante saß.
»Also, zeigt mal«, sagte Rebecka endlich und streckte die Hand nach dem Ordner aus.
»Es geht um das hier«, sagte Anna-Maria, zog ein Papier hervor und zeigte darauf.
»Das stammt aus einer Buchführung«, sagte Rebecka. »Und dieser Posten ist besonders markiert.«
Rebecka zeigte auf eine Zahl in einer Spalte mit der Überschrift 1930 .
»Neunzehn dreißig ist ein Konto für eingehende Summen, Schecks und so. Darauf gibt es 179000 Kronen, die mit Konto sechsundsiebzig zwo verrechnet werden müssen. Das sind die übrigen Personalkosten. Aber irgendwer hat mit Bleistift an den Rand ›Weiterbildung‹ geschrieben.«
Rebecka strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
»Und das hier?«, fragte Anna-Maria. »Ver, was bedeutet das?«
»Verifikat, Anlage. Kann eine Rechnung oder etwas anderes sein, woraus hervorgeht, wofür das Geld ausgelegt worden ist. Sie scheint sich über diesen Posten gewundert zu haben. Deshalb habe ich die Seite kopiert.«
»Aber was ist das für ein Unternehmen?«, fragte Anna-Maria Mella.
Rebecka zuckte mit den Schultern. Dann zeigte sie auf die obere rechte Ecke des Blattes.
»Die Betriebsnummer beginnt mit 81 . Dann ist es eine Stiftung.«
Sven-Erik schüttelte den Kopf.
»Die Wildschutzstiftung Jukkasjärvi«, sagte Anna-Maria nach einigen Sekunden. »Eine Stiftung, die sie gegründet hat.«
»Sie hat über diesen Posten Weiterbildung gestaunt«, sagte Rebecka.
Wieder schwiegen sie. Sven-Erik schlug nach einer Fliege, die immer wieder auf ihm zu landen versuchte.
»Sie scheint allerlei Leute gegen sich aufgebracht zu haben«, sagte Rebecka.
Anna-Maria lachte freudlos.
»Ich hab gestern mit einem von diesen Aufgebrachten gesprochen«, sagte sie. »Er hat Mildred Nilsson gehasst, weil seine Frau mit den Kindern bei ihr gewohnt hat, nachdem sie ihn verlassen hatte.«
Sie erzählte Rebecka von den geköpften Katzenjungen.
»Und wir können ja nichts tun«, fügte sie hinzu. »Solche Hauskatzen stellen keinen finanziellen Wert da, also ist es keine Sachbeschädigung. Sie haben vermutlich auch nicht gelitten, also ist es keine Tierquälerei. Und dann fühlt man sich ohnmächtig. Als könne man in der Gemüseabteilung des Supermarktes nützlichere Arbeit leisten. Ich weiß nicht, geht es dir manchmal auch so?«
Rebecka grinste.
»Ich beschäftige mich ja fast nie mit Strafrecht«, antwortete sie ausweichend. »Und das hier wäre ein Wirtschaftsverbrechen. Aber natürlich kommt es vor, dass ich auf der Seite der Verdächtigten stehe…Ab und zu empfinde ich eine Art Widerwillen gegen mich selbst. Wenn ich jemanden vertrete, der einfach kein Gewissen hat. Dann wiederhole ich ›Alle haben das Recht auf Verteidigung‹ wie eine Beschwörung gegen…«
Sie sagte nichts von
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