Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
ein schlechtes Gewissen hatte.‹ – ›Das wissen wir, Papa. Danke, Papa. Wir lieben dich, Papa.‹«
Mauri Kallis: »Aber zum Glück ist meine Frau immer da, und ich kann mich auf sie verlassen. Ohne sie könnte ich dieses Unternehmen nicht leiten und gleichzeitig Kinder haben. Sie hat mich anlernen müssen.«
Malou von Sivers (offenbar bezaubert von seiner Dankbarkeit seiner Frau gegenüber): »Wobei denn, zum Beispiel?«
Mauri Kallis (denkt nach): »Oft bei ganz einfachen Dingen. Dass eine Familie zusammen isst, zum Beispiel.«
Malou von Sivers: »Glauben Sie, dass Sie das normale Leben mehr zu schätzen wissen als ich, die ich eine ganz gewöhnliche Kindheit hatte?«
Mauri Kallis: »Ja, wenn Sie entschuldigen, dann glaube ich das schon. Ich komme mir in der ›normalen‹ Welt vor wie ein Flüchtling.«
Als Diddi ins dritte Semester an der Handelshochschule geht, kann er die normale Welt endlich verlassen. Er hat immer schon Schönheit und Charme besessen, jetzt aber hat er Geld. Er ist über Stockholm hinaus. Und auch über das Riche. Er schwankt, während über Paris die Sonne untergeht, mit zwei x-beinigen Fotomodellen am Canal Saint-Martin entlang. Nicht, weil sie so berauscht sind, dass sie sich nicht mehr richtig auf den Beinen halten können, nein, sie stupsen einander an, fast wie Kinder auf ihrem verspielten Heimweg. Die Bäume hängen über dem Wasser wie verlassene Frauen und lassen ihr Laub ins Wasser fallen wie alte Liebesbriefe, allesamt blutrot. Aus den Bäckereien duftet es nach frisch gebackenem Brot. Lieferwagen sausen in Richtung Zentrum, die Reifen poltern über die Pflastersteine. Die Welt wird niemals schöner sein als in diesem Moment.
Auf einer Poolparty lernt er einen Schauspieler kennen und wird dazu eingeladen, mit einem Privatjet zu zweiwöchigen Dreharbeiten in die Ukraine zu reisen. Diddi kann die nötige Freigebigkeit an den Tag legen. Er bringt zehn Flaschen Dom Pérignon mit.
Und dann lernt er Sofia Fuensanta Cuervo kennen. Sie ist viel älter als er, zweiunddreißig, mütterlicherseits entfernt verwandt mit dem spanischen Königshaus, väterlicherseits mit Johannes vom Kreuz.
Sie sei das schwarze Schaf der Familie, sagt sie, geschieden, zwei Kinder, die ein Internat besuchen.
Diddi ist noch keiner begegnet, die sich mit ihr messen könnte. Er ist ein Wanderer, der endlich das Meer erreicht hat, und er watet bis zu den Ellbogen hinein und ertrinkt. Ihre Umarmung entschädigt für alles. Er ist verloren, wenn sie nur lächelt oder sich an der Nase kratzt. Er ertappt sich sogar bei Phantasien von sich und den Kindern. Diffuse Bilder, auf denen sie am Strand Drachen steigen lassen und er abends laut vorliest. Er lernt sie aber nicht kennen, und Sofia spricht nicht viel über sie. Sie will nicht, dass sie sich an jemanden hängen, der plötzlich verschwindet, sagt sie. Aber er wird niemals verschwinden. Für immer will er hier sitzen, die Hände in ihren rabenschwarzen Haaren verflochten.
Ihre Freunde besitzen große Boote. Er geht mit auf die Jagd, als sie das Gut von Verwandten im Nordwesten Englands besuchen. Diddi ist in dem geliehenen Jägeranzug und dem kleinen Filzhut einfach bezaubernd. Er ist der kleine Bruder der Männer und die Sehnsucht der Frauen.
»Ich weigere mich, etwas zu töten«, erklärte er der Gesellschaft auf die todernste Weise eines Kindes. Er und ein Mädchen von dreizehn Jahren dürfen sich am Treiben beteiligen, sie sprechen lange über die Pferde der Kleinen, und abends überredet das Mädchen die Gastgeberin, sie bei Tisch neben Diddi zu setzen. Sofia leiht ihn aus und lacht. Jetzt ist sie ausgestochen worden.
Diddi lädt Sofia zum Essen ein, er kauft ihr wahnwitzig teure Schuhe und Schmuckstücke. Er lädt sie zu einer Woche Sansibar ein. Es ist wie eine Theaterkulisse, die zerfallene Schönheit der Stadt, die wunderschön geschnitzten Holztüren, die mageren Katzen, die an den langen weißen Stränden Jagd auf kleine weiße Krebse machen, der schwere Duft von Gewürznelken, die in großen Haufen zum Trocknen auf Stoffbahnen auf dem Boden liegen. Und vor diesem Hintergrund aus Schönheit, die in den letzten Zügen liegt, denn bald werden Türen und Fassaden ganz und gar verwittert sein, bald ist die Insel verbraucht, bald werden sich die Strände mit krakeelenden Deutschen und fetten Schweden bevölkern, vor diesem Hintergrund: ihre Liebe.
Die Leute drehen sich nach ihnen um, wenn sie durch die Straßen spazieren und ihre Finger
Weitere Kostenlose Bücher