Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
als Einziger Prügel beziehen wird. Und dagegen haben sie nun wirklich nichts.
Dann passiert es: In Mauris Kopf springt ein anderes System an. Nicht das System, das zurückweichen und sich ducken und die Hände schützend um den Kopf legen kann. Es wird leer im Schädel, und der Körper bewegt sich von selbst, während Mauri zusieht.
Das alles hat Jocke ihm vorher beigebracht. Und noch etwas.
In einer Bewegung: Die Füße tanzen vorwärts, die Hand findet Halt an einem Kleiderschrank und trägt dazu bei, dem Bein Höhe und Kraft zu verleihen. Ein Pferdetritt trifft den Widersacher am Kopf. Gleich darauf folgen ein Tritt in den Bauch, eine Faust ins Gesicht.
Eine Erkenntnis: So muss er schlagen, Distanz, Treffer, Distanz. Man kann bei Leuten, die größer sind, nicht schubsen und ringen. Mauri ist jetzt in sich zurückgekehrt, er ist dabei, hält Ausschau nach einer Schlagwaffe. Er entdeckt eine lose Schranktür, die der Hausmeister in die Angeln setzen muss, irgendwann in den nächsten Jahren, er muss doch an seiner Ferienhütte herumbasteln und ist nur selten in der Schule.
Mauri packt die Schranktür mit beiden Händen, sie ist aus orangefarbenem Metall, und schlägt drauflos. Peng, peng. Jetzt hebt der Anführer der Mobber die Hände. Jetzt ist er derjenige, der seinen Kopf schützt.
Jocke packt Mauris Arm und sagt, jetzt reiche es. Mauri hat seinen Widersacher in eine Ecke getrieben. Er liegt auf dem Boden. Mauri hat keine Angst, ihn getötet zu haben, er hofft, dass er ihn getötet hat, er will ihn töten. Widerwillig lässt er die Schranktür los.
Er geht weg. Jocke und seine Kumpels entfernen sich schon in eine andere Richtung. Seine Arme zittern von der physischen Anstrengung.
Die drei Jungs aus der Parallelklasse erzählen niemandem davon. Vielleicht würden sie sich rächen, wenn Jocke und dessen Kumpels nicht wären. Jocke wäre das vermutlich egal, aber sie glauben eben, dass Jocke zu Mauri hält.
Mauri wird nicht der Klassenheld. Er wird auch nicht respektiert. Er steigt auf der Statusleiter nicht eine einzige Sprosse höher. Aber er wird in Ruhe gelassen. Kann auf dem Schulhof sitzen und auf den Schulbus warten und sich in seine eigenen Gedanken vertiefen, ohne dauernd auf der Hut sein zu müssen, bereit, wegzuschlüpfen und sich zu verstecken.
Aber in der folgenden Nacht träumt er, dass er seine Mutter umbringt. Er erschlägt sie mit einem Eisenrohr. Er wacht auf und horcht, denn er glaubt, geschrien zu haben. Oder war sie das, in seinem Traum? Er setzt sich im Bett auf und versucht, wach zu bleiben, hat Angst davor, wieder einzuschlafen.
Diddi steht in Mauris Wohnheimzimmer. Seine Haare sind nass, er schreit und verlangt Geld. Sein Geld, behauptet er. Mauri sagt freundlich mit der Stimme seines Pflegevaters, es tue ihm leid, dass es zwischen ihnen so weit gekommen sei, aber sie hätten eine Abmachung, und die gelte weiterhin.
Diddi macht eine verächtliche Bemerkung, dann versetzt er Mauri einen Stoß vor die Brust.
»Hör auf damit«, warnt Mauri.
Diddi stößt noch einmal. Er will sicher, dass Mauri zurückstößt und dass sie immer härter stoßen, bis es Zeit wird, aufzuhören und nach Hause zu gehen und seinen Rausch auszuschlafen.
Aber sofort knallt es. Es ist Pflegebruder Jocke, der keinen Anlauf zu nehmen braucht. Mitten auf die Nase. Diddi hat noch nie Prügel kassiert, er schafft es nicht, seine Hand an die Nase zu heben, das Blut strömt noch nicht, als schon der nächste Schlag fällt. Und dann wird ihm der Arm auf den Rücken gedreht und Mauri führt ihn durch den Gang und die Treppe hinunter und stößt ihn in den Schneematsch.
Auf dem Rückweg nimmt Mauri drei Treppenstufen auf einmal. Er denkt an sein Geld. Wenn er will, kann er morgen alles aus den Geschäften herausziehen. Es sind drei Millionen. Aber was soll er damit?
Er fühlt sich bemerkenswert frei. Jetzt braucht er nicht mehr darauf zu warten, dass Diddi von sich hören lässt.
Kommissar Tommy Rantakyrö schaute ins Besprechungszimmer.
»Herr Kallis mit Begleitung ist eingetroffen«, sagte er.
Anna-Maria schaltete ihren Computer aus und ging zusammen mit den Kollegen Tommy Rantakyrö und Sven-Erik Stålnacke in die Rezeption.
Mauri Kallis war zusammen mit Diddi Wattrang und seinem Sicherheitschef Mikael Wiik gekommen. Drei Männer in langen schwarzen Mänteln. Schon allein dadurch fielen sie auf. Die Männer in Kiruna trugen keine Mäntel.
Diddi Wattrang trat die ganze Zeit von einem Fuß auf den
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