Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
miteinander verflechten. Seine Haare sind von der Sonne fast weiß gebleicht, ihre sind die blanke schwarze Mähne einer andalusischen Stute.
Ende November ruft Diddi aus Barcelona an und will verkaufen. Mauri erklärt, dass es nichts zu verkaufen gibt. »Dein Kapital ist aufgebraucht.«
Diddi berichtet, dass er von einem wutschnaubenden Hotelbesitzer verfolgt wird, der verdammt energisch darauf besteht, dass Diddi seine Rechnung bezahlt. »Der ist stocksauer, echt, ich muss mich aus dem Haus schleichen, damit er mich nicht auf der Treppe abfängt.« Mauri beißt während des peinlich langen Schweigens die Zähne zusammen, während Diddi darauf wartet, dass er ein Darlehen anbietet. Und dann fragt Diddi ganz offen danach. Mauri sagt Nein.
Nach diesem Gespräch macht Mauri einen Spaziergang durch das verschneite Stockholm. Die Wut des Verschmähten folgt ihm wie ein Hund. Was zum Teufel bildet Diddi sich denn ein? Dass er einfach anrufen kann, und dann beugt sich Mauri mit heruntergelassener Hose vor?
Nein. Die folgenden drei Wochen verbringt Mauri bei seiner neuen Freundin. Viele Jahre später, im Interview mit Malou von Sivers, würde ihr Name ihm nicht mehr einfallen, selbst wenn man ihn mit der Pistole bedrohte.
Drei Wochen nach diesem Gespräch taucht Diddi in Mauris Gemeinschaftsküche im Studentenheim auf. Es ist Samstagabend. Mauris Freundin isst bei ihren Freundinnen, Mauris Gangnachbar Håkan starrt Diddi an, wie man einen Fernseher anstarrt. Er vergisst, den Blick abzuwenden und an seine Manieren zu denken. Glotzt mit offenem Mund. Mauri verspürt eine unerklärliche Lust, ihn zu streicheln. Damit er das Maul zuklappt.
Diddis Augen sind weißes gesprungenes Eis über einem blutroten Meer. Schneeklumpen schmelzen in seinen Haaren und laufen über sein Gesicht.
Sofias Liebe verschwand mit dem Geld, aber davon weiß Mauri noch nichts.
In Mauris Zimmer kommt es dann. Mauri ist ein verdammter Gauner. Fünfundzwanzig Prozent, was? Verdammter Wucherer. So gierig, dass er beim Scheißen weint. Zehn Prozent kann Diddi akzeptieren, und er will sein Geld. JETZT.
»Du bist betrunken«, sagt Mauri.
Er hört sich sehr fürsorglich an, als er das sagt. Er ist durch eine harte Schule gegangen, um mit einer solchen Situation umgehen zu können. Er übernimmt problemlos Haltung und Tonfall seines Pflegevaters. Weiche Schale, steinharter Kern. Der Pflegevater steckt in ihm. Und im Pflegevater wartet der Pflegebruder. Es ist wie bei einer russischen Puppe. Im Pflegebruder steckt Mauri. Aber es wird noch viele Jahre dauern, bis diese Puppe zum Vorschein kommt.
Diddi hat keine Ahnung von russischen Puppen. Oder sie sind ihm egal. Voller Wut dreht er die Pflegevaterpuppe auf, schreit und tobt. Er ist selbst schuld, wenn dann der Pflegebruder herauskommt.
Malou von Sivers: »Mit elf Jahren kamen Sie also in Pflege. Wie war das?«
Mauri Kallis: »Im Vergleich zu vorher war das doch ein ziemlicher Fortschritt. Aber für meine Pflegeeltern war es nur eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, das mit den Pflegekindern. Beide waren Gelegenheitsarbeiter und hatten schrecklich viel zu tun. Meine Pflegemutter hatte mindestens drei Jobs gleichzeitig. Sie nannte meinen Pflegevater ›Alterchen‹. Das machte auch mein Pflegebruder und ich dann eben auch. Und er selbst ebenfalls.«
Malou von Sivers: »Erzählen Sie von ihm.«
Mauri Kallis: »Er war ein Schurke, der sich irgendwie im Rahmen der Gesetze bewegte, dem es aber an Skrupeln fehlte. Geschäftsmann in der alleruntersten Liga, sozusagen.« (Jetzt lächelt er und schüttelt bei dieser Erinnerung den Kopf.) »Zum Beispiel kaufte und verkaufte er Autos, der ganze Hofplatz stand voll mit alten Wracks. Manchmal fuhr er zum Verkaufen in andere Städte. Dann zog er ein Hemd mit Pastorenkragen an, weil die Leute doch Vertrauen zu Gottesmännern haben. ›Ich habe das Kirchengesetz von Anfang bis Ende gelesen‹, sagte er. ›Da steht an keiner Stelle, dass man ordiniert sein muss, um einen solchen Kragen tragen zu dürfen!‹«
Es kommt vor, dass Leute bei Alterchen auftauchen, die sich betrogen fühlen. Oft sind sie wütend, ab und zu weinen sie. Alterchen bedauert, es tut ihm leid. Er bietet Schnaps oder Kaffee an, aber Geschäfte sind Ehrensache. Am Vertrag ist nicht zu rütteln. Das Geld wird nicht zurückgezahlt.
Einmal kommt eine Frau, die von Alterchen einen Gebrauchtwagen gekauft hat. Sie bringt ihren Exmann mit. Alterchen durchschaut ihn sofort. »Jocke
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