Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
er sich beim Sonderkommando beworben. Man hätte sich in seiner Militärzeit ein wenig anstrengen sollen. Nicht seine Zeit als Bürogehilfe vergeuden. Man kann Jobs im Irak und bei privaten Leibwächterfirmen bekommen oder so. Als Mikke Wiik beim Sonderkommando aufgehört hat und zu den Privaten übergewechselt ist, hat er fünfzehntausend Euro im Monat verdient.«
»Bei Kallis?«, fragte Sven-Erik.
»Nein, das war im Irak. Aber danach wollte er in Schweden arbeiten und ein wenig ruhiger leben. Dieser Typ war wirklich überall … nicht gerade an Orten, wo man mit seinen Kindern in den Ferien hinfährt.«
Jetzt war Anna-Maria in das Gespräch der Kollegen eingestiegen. Sie glaubte zu hören, dass der letzte Satz ein direktes Zitat von Mikael Wiik war.
»Bleib lieber bei uns«, sagte sie, »fahr nicht weg und lass dir von Terroristen in den Kopf schießen«, sagte Sven-Erik zu Tommy Rantakyrö, dessen Augen vor Träumen von einem abenteuerlicheren Leben und viel Geld in der Tasche nur so überquollen.
Mikael Wiik bog von der E 10 in Richtung Flugplatz von Kiruna ab.
Mauri Kallis und Diddi Wattrang hatten die ganze Zeit geschwiegen. Keiner hatte Inna auch nur mit einem Wort erwähnt. Mikael Wiik hatte keinen von ihnen weinen sehen, seit sie allein waren, hatten die Herren einander nicht einmal angeblickt. Er registrierte, dass keiner ihn nach seinen Beobachtungen fragte. Danach, was er glaubte. Was er im Gespräch mit Tommy Rantakyrö erfahren hatte.
Das war der Anfang der Zeit nach Inna Wattrang. Das stand immerhin fest. Zu ihrer Zeit war alles witziger gewesen.
Nach seinem Dienst beim Sonderkommando hatte Mikael Wiik es in Schweden kaum aushalten können. In der Zeit seines Vorstellungsgesprächs bei Mauri Kallis war er ein Mann gewesen, der um drei Uhr nachts aufwachte und mit dem wachsenden Gefühl kämpfte, dass das Leben zu Hause absolut keinen Sinn hatte.
Inna hatte ihm durch das erste Jahr bei Kallis Mining hindurchgeholfen. Sie schien immer gespürt zu haben, wie ihm zumute war. Sie hatte immer die Zeit gefunden, mit ihm über Mauris Geschäfte zu plaudern, darüber, wen sie trafen und warum. Bald hatte er angefangen, sich als Teil von Kallis Mining zu betrachten. Wir gegen sie.
Er schlief noch immer schlecht, wachte früh auf. Aber nicht mehr ganz so früh. Und er musste nicht in den Kongo, den Irak oder nach Afghanistan zurück, nicht an solche Orte.
Plötzlich brach Mauri Kallis das Schweigen im Auto.
»Wenn das ein Sexualverbrechen war, dann wird das Schwein mit dem Leben büßen«, sagte er verbissen.
Mikael Wiik musterte im Rückspiegel verstohlen Diddi Wattrang. Er sah ebenso tot aus wie seine Schwester, schwarze Ringe unter den Augen, kreideweißes Gesicht, trockene Lippen und zerkratzte Nase. Die Hände hatte er in die Achselhöhlen geschoben. Vielleicht, weil er fror, vielleicht, um sie am Zittern zu hindern. Es war für ihn an der Zeit, sich zusammenzureißen.
»Wo landen wir?«, fragte Diddi. »Skavsta oder Arlanda?«
»Skavsta«, sagte Mikael nach einer Weile, als Mauri weiterhin schwieg.
»Willst du nach Hause?«, fragte Diddi Mikael.
Mikael Wiik nickte. Er wohnte mit seiner Freundin auf Kungsholmen. Auf Regla hatte er ein Zimmer mit Kochnische und Bad, benutzte es aber nur selten.
»Dann fahre ich mit dir nach Stockholm«, sagte Diddi, schloss die Augen und stellte sich schlafend.
Mikael Wiik nickte. Ihm kam es nicht zu, Diddi Wattrang zu sagen, dass er zu Ulrika und seinem sieben Monate alten Sohn nach Hause fahren müsse.
Ärger, dachte er. Besser, man ist darauf vorbereitet.
Mauri Kallis schaute aus dem Fenster.
Ich wollte sie berühren, dachte er.
Er versuchte, sich an die Gelegenheiten zu erinnern, da er es gemacht hatte. Richtig, eine richtige Berührung.
In diesem Moment konnte er sich nur an ein einziges Mal erinnern.
Es ist der Sommer 1994. Er ist seit drei Jahren verheiratet. Sein älterer Sohn ist zwei, der jüngere einige Monate alt. Mauri steht am Fenster in dem kleinen Salon und nippt an einem Whisky, schaut zu Innas Haus hinüber, der alten Wäscherei, die jetzt endlich fertig renoviert ist.
Er weiß, dass Inna gerade von einer Jodproduktionsanlage in der Atacamawüste in Chile zurückgekommen ist.
Er hat mit Ebba zusammen zu Abend gegessen. Das Kindermädchen bringt Magnus ins Bett, und Ebba legt ihm Carl in die Arme. Er hält das Baby, weiß nicht, was sie von ihm erwartet, deshalb starrt er das Kind an und sagt nichts. Ebba scheint damit
Weitere Kostenlose Bücher