Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
zufrieden zu sein. Nach kurzer Zeit tun ihm Nacken und Schultern weh, er will, dass sie ihm den Kleinen abnimmt, hält aber durch. Nach einer Ewigkeit nimmt Ebba ihm das Kind aus den Armen. »Ich bring ihn jetzt ins Bett«, sagt sie. »Das dauert eine Stunde. Wartest du?« Er verspricht zu warten.
Danach steht er am Fenster und hat plötzlich schreckliche Sehnsucht nach Inna.
Ich bleibe nicht lange, belügt er sich. Ich will nur kurz hören, wie es in Chile war. Bis Ebba Carl ins Bett gebracht hat, bin ich längst wieder da.
Inna hat ausgepackt. Sie scheint sich ehrlich zu freuen, dass er kommt. Auch er freut sich. Freut sich, weil sie für ihn arbeitet. Freut sich, weil sie hier auf Regla wohnt. Sie hat ein hohes Gehalt und eine niedrige Miete. In schlechten Momenten macht ihn das wütend und unsicher. Dann quält ihn das Gefühl, sie zu kaufen.
Aber wenn er mit ihr zusammen ist, ist das nie so.
Sie fangen mit dem Whisky an, den er mitgebracht hat. Sie rauchen, sind albern und finden, dass sie unbedingt baden müssen. Aber dann vergessen sie es und liegen unten bei dem alten Anleger im Gras. Die Sonnenscheibe vibriert tief am Horizont, verschwindet. Der Himmel wird schwarz, schwaches Sternenlicht trifft ihre Augen, immer weckt es schwindelerregende Gedanken an die Unendlichkeit.
So müsste es immer sein, denkt Mauri. Immer, wenn ich freihabe. Warum muss man verheiratet sein? Wegen Gratissex jedenfalls nicht. Sex mit der eigenen Ehefrau ist der teuerste Sex, den man überhaupt haben kann. Wirklich. Man bezahlt mit seinem ganzen Leben.
Als er Ebba geheiratet hat, hat er Inna gegenüber Position bezogen. Eine Weile war Inna sogar nicht mehr so wichtig für ihn. Es war schwer, das genau zu definieren, aber das Kräfteverhältnis zwischen ihm und den Geschwistern Wattrang veränderte sich. Er war weniger abhängig. Musste nicht mehr betonen, dass er am Wochenende arbeiten wolle, damit sie sich nicht in den Kopf setzten, für ihn spiele es eine Rolle, wenn sie ihn nicht zu ihren Unternehmungen einluden.
Jetzt gibt er zurück, was er Inna damals weggenommen hat. In genau diesem Augenblick kommt es ihm wertlos vor.
Er dreht sich auf die Seite und sieht sie an.
»Weißt du, warum ich Ebba geheiratet habe?«, fragt er.
Inna hat den Mund voll Rauch und kann nicht antworten.
»Oder genauer gesagt, warum ich mich in sie verliebt habe«, redet Mauri weiter. »Weil sie als kleines Kind einen Kilometer zum Schulbus gehen musste.«
Inna kichert neben ihm.
»Wirklich. Sie wohnten doch auf Vikstaholm, wo sie aufgewachsen ist. Später mussten sie verkaufen, aber jedenfalls … für einen wie mich … jedenfalls … einen Emporkömmling … aber jedenfalls.«
Er kann dem Faden seiner eigenen Geschichte so wenig folgen, dass Inna neben ihm lacht. Er redet weiter:
»Sie fuhr mit dem Schulbus zur Schule, und einmal hat sie erzählt, wie sie immer diesen Kilometer vom Schloss zur Landstraße gegangen ist. Sie hat erzählt, dass sie noch weiß, wie die Waldtauben im Gebüsch gurrten und glucksten, wenn sie ganz allein am frühen Morgen über den Kiesweg ging. Die Morgenstille, die vom Gurren der Tauben unterbrochen wurde.«
Er ist ein Schwein, und er weiß das in dem Moment, in dem die Worte seinen Mund verlassen. Er schlägt Ebba den Kopf ab und serviert ihn Inna auf einem silbernen Tablett. Dieses Bild von Ebba war ein kleines Heiligtum. Jetzt hat er es zu Altpapier zerknüllt.
Aber Inna denkt nie so, wie er es erwartet. Sie hört auf zu kichern und zeigt auf einige Sternbilder, die sie erkennt und die jetzt immer deutlicher zu sehen sind.
Dann sagt sie:
»Ich finde, das klingt wirklich nach einem hervorragenden Heiratsgrund. Vielleicht ist es der beste, den ich je gehört habe.«
Sie dreht sich auf die Seite und sieht ihn an. Sie haben niemals Sex gehabt. Aber auf irgendeine Weise gibt sie ihm das Gefühl, dass das, was sie verbindet, größer ist. Sie sind Freunde. Innas Liebhaber, oder wie man die nennen soll, kommen und gehen. Mauri wird niemals zum Verflossenen werden.
Sie liegen dort und sehen einander an. Er nimmt ihre Hand.
Weil er das wagt, hat er plötzlich das Gefühl, dass Liebe nicht verletzlich macht. Es kostet nichts, zu lieben. Man wird zu Gandhi, Jesus und dem Sternenhimmel.
»Du …«, sagt er.
Und danach laufen seine Gedanken umher und suchen vergeblich nach Wörtern, die er nie benutzt.
»Ich freue mich, dass du hergezogen bist«, sagt er endlich.
Inna lächelt. Es gefällt ihm, dass sie
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