Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Kommissar Tommy Rantakyrö, der sich ihrem Tisch näherte. Als Sven-Eriks Kater verschwunden war, hatte Tommy sich mit dem trauernden Sven-Erik blöde Witze erlaubt. Aber Tommy lebte in glücklicher Ahnungslosigkeit darüber, dass seine Sünden durchaus nicht verziehen waren.
»Ich wusste ja, dass ich euch hier finden würde«, sagte er.
Er reichte Anna-Maria einige Papiere.
»Inna Wattrangs Mobiltelefonliste«, sagte er.
»Aber«, fügte er hinzu und hob noch ein Papier hoch. »Das war ihr Diensttelefon. Sie hatte auch noch ein privates.«
»Wieso das?«, fragte Anna-Maria und nahm den letzten Ausdruck entgegen.
Tommy Rantakyrö zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Vielleicht durfte sie auf dem Firmenteil keine Privatgespräche führen.«
Rebecka Martinsson lachte.
»Entschuldigt«, sagte sie. »Ich vergesse immer, dass ihr beim Staat angestellt seid. Das bin ich jetzt ja auch, und daran ist nichts auszusetzen. Aber ich meine, was hat sie im Monat verdient? Neunzigtausend, ohne Bonus oder so. Dann hast du einen Job, der dich vereinnahmt. Du musst immer zu erreichen sein, und dass du private Anrufe tätigen kannst, ist da noch das geringste der Privilegien.«
»Warum also?«, fragte Tommy Rantakyrö beleidigt.
»Das Diensttelefon kann von der Firma überprüft werden«, überlegte Anna-Maria. »Sie wollte vielleicht ein Telefon, das garantiert privat war. Ich will Namen, Adresse und Schuhgröße von allen, mit denen sie mit diesem Gerät telefoniert hat.«
Sie wedelte mit der Liste der Privatgespräche.
Tommy Rantakyrö hob Zeige- und Mittelfinger zu einem kleinen Salut, der versprach, dass er diesen Befehl ausführen würde.
Anna-Maria sah sich wieder die Listen an.
»Kein Gespräch am Tag vor dem Mord, wie schade.«
»Was war denn das für ein Anbieter?«, fragte Rebecka Martinsson.
»Comviq«, sagte Anna-Maria. »Dann gibt es da oben kein Netz.«
»Abisko ist doch klein«, sagte Rebecka. »Wenn sie angerufen hat, dann vom Fernsprecher in der Touristenstation. Es wäre vielleicht interessant, die von dort geführten Gespräche mit den beiden Listen zu vergleichen.«
Tommy Rantakyrö machte ein verzweifeltes Gesicht.
»Das können doch Hunderte von Gesprächen sein«, quengelte er.
»Das glaube ich eigentlich nicht«, sagte Rebecka. »Wenn sie am Donnerstag gekommen ist und irgendwann zwischen Donnerstagnachmittag und Samstagmorgen ermordet wurde, dann ist das weniger als zwei Tage, und dann kann es sich nicht um mehr als vielleicht zwei Dutzend Anrufe handeln. Die Leute da oben laufen Ski oder sitzen in der Kneipe, die sitzen nicht in der Telefonzelle, wenn das nicht unbedingt sein muss.«
»Also, stell das fest«, sagte Anna-Maria zu Tommy Rantakyrö.
»Aufpassen«, sagte Sven-Erik mit vollem Mund.
Per-Erik Seppälä, ein Mitarbeiter von SVT Norrbotten, kam auf ihren Tisch zu. Anna-Maria drehte die Telefonlisten mit dem Rücken nach oben.
Per-Erik begrüßte alle. Er gönnte sich zwei zusätzliche Sekunden, um Rebecka Martinsson anzusehen. So sah sie also in Wirklichkeit aus. Er wusste, dass sie jetzt wieder in der Gegend lebte und bei den Anklagebehörden arbeitete, aber er war ihr noch nie begegnet. Es fiel ihm schwer, nicht die rote Narbe anzustarren, die sich quer über den Amorbogen von der Lippe zur Nase zog. Damals, vor anderthalb Jahren, war ihr Gesicht ja gründlich zerschunden gewesen. Er hatte selbst eine Reportage gemacht und den Ereignisverlauf rekonstruiert. Der Beitrag war im Nachrichtenmagazin Aktuell gesendet worden.
Er ließ Rebecka mit Blicken los und wandte sich an Anna-Maria.
»Hast du eine Minute Zeit?«, fragte er.
»Hör mal, das geht nicht«, sagte Anna-Maria bedauernd. »Wir werden eine Pressekonferenz abhalten, sowie wir etwas wissen, das für die Allgemeinheit von Interesse ist.«
»Nein, nein. Oder ja, es geht um Inna Wattrang. Aber es gibt etwas, das du wissen solltest.«
Anna-Maria nickte zum Zeichen dafür, dass sie zuhörte.
»Nicht hier, bitte«, sagte Per-Erik.
»Ich bin fertig«, sagte Anna-Maria zu den Kollegen und erhob sich.
Sie hatte immerhin die Hälfte verzehren können.
»Ich weiß nicht, ob das … eine Rolle spielt«, sagte Per-Erik Seppälä. »Aber ich muss es dir erzählen. Denn wenn ja, dann … ja, deshalb wollte ich es dir unter vier Augen sagen. Ich will nicht früher sterben als unbedingt nötig.«
Sie gingen durch den Gruvväg, vorbei an der alten Feuerwache. Anna-Maria schwieg.
»Du weißt doch, wer Örjan Bylund war«,
Weitere Kostenlose Bücher