Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
kommt niemals wieder«, sagte sie zu ihm. »Verstehst du das nicht?«
Sie erinnerte sich an die frustrierenden Versuche, ein Gespräch in die Wege zu leiten. Manchmal war sie wütend und vorwurfsvoll. Andere Male ruhig und pädagogisch. Das änderte absolut nichts.
Die Häuser für Inna und Diddi wurden renoviert, und auch sie zogen nach Regla.
Inna verlor gleichzeitig mit Mauri das Interesse an Ebba.
Sie sind auf einer Cocktailparty in der Botschaft der USA. Inna steht auf der Terrasse und unterhält sich mit einer Schar Männer, die ihre Lebensmitte schon hinter sich haben. Sie trägt ein tief ausgeschnittenes Kleid. An ihrem einen Bein ist der schwarze Strumpf zerrissen. Ebba geht zu der Gruppe hinüber, lacht über einen Scherz und flüstert Inna diskret ins Ohr.
»Du hast eine Riesenlaufmasche. Ich hab ein Reservepaar in der Tasche, komm mit auf die Toilette, dann kannst du sie wechseln.«
Inna wirft ihr einen raschen Blick zu. Der ist ungeduldig und gereizt.
»Sei nicht so unsicher«, zischt sie.
Dann wendet sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Gesprächspartnern zu und bewegt unmerklich die Schulter, sodass Ebba fast hinter ihrem Rücken landet.
Damit wird sie aus dem Gespräch ausgeschlossen und macht sich auf die Suche nach Mauri. Sie möchte nach Hause zu ihrem Baby. Sie hätte nicht mitkommen dürfen.
Sie hat das seltsame Gefühl, dass Inna sich auf der Damentoilette die Laufmasche ganz bewusst beigebracht hat. Dieser Riss lässt die Damen vor Entsetzen aufkeuchen. Aber den Herren ist es egal. Und Inna ist wie immer offen und zwanglos.
Es ist ein Signal, denkt Ebba. Diese riesige Laufmasche ist ein Signal.
Ebba begreift nur nicht, was für eine Sorte Signal. Und an wen.
Ebba erhob sich, um sich noch eine Tasse Kaffee einzuschenken. In diesem Moment hörten sie den Türklopfer, und Diddis Frau Ulrika sagte in der Diele »hallo«.
Eine Sekunde darauf erschien sie in der Tür. Sie hatte das Baby auf der Hüfte sitzen. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, damit man nicht sehen konnte, wie ungewaschen sie waren. Ihre Augen waren rot gerändert.
»Habt ihr etwas von Diddi gehört«, fragte sie mit ersterbender Stimme. »Er ist am Montag doch nicht nach Hause gekommen, als ihr in Kiruna wart. Er war seither überhaupt nicht mehr da. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber …«
Sie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht sollte ich zur Polizei gehen«, sagte sie.
»Das nun wirklich nicht«, sagte Mauri Kallis, ohne den Blick von der Zeitung abzuwenden. »Das Letzte, was ich brauche, ist diese Art von Aufmerksamkeit. Am Freitagabend kommen die Vertreter vom African Mining Trust …«
»Du bist doch nicht mehr richtig im Kopf«, schrie Ulrika.
Das Kind in ihrem Arm brach in Tränen aus, aber sie schien das nicht zu bemerken.
»Ich habe nichts von ihm gehört, verstehst du? Und Inna ist ermordet worden. Ich weiß, dass ihm etwas passiert ist, das spüre ich. Und du denkst an dein Geschäftsessen!«
»Diese ›Geschäftsessen‹ stellen das Essen auf deinen Tisch und bezahlen das Haus, in dem du wohnst, und den Wagen, den du fährst. Ich weiß, dass Inna tot ist. Werde ich ein besserer Mensch, wenn ich alles fallen lasse und zusehe, wie wir untergehen? Ich tue einfach, was ich kann, um mich und diese Gesellschaft auf den Beinen zu halten. Anders als Diddi. Oder?«
Mikael Wiik starrte in sein Saftglas und stellte sich tot. Ebba Kallis erhob sich.
»Aber, aber«, sagte sie und hörte sich überaus mütterlich an.
Sie ging zu Ulrika und nahm ihr das weinende Kind aus den Armen.
»Er wird bald kommen, da bin ich sicher. Vielleicht muss er eine Weile allein sein. Es war doch ein Schock. Für uns alle.«
Das Letzte sagte sie mit einem Blick auf Mauri, der in seine Zeitung starrte, aber offenbar keine Zeile las.
Wenn ich die Wahl zwischen Pferden und Menschen hätte, dachte Ebba Kallis, dann würde ich keine Sekunde überlegen.
ANNA-MARIA MELLA sah sich in Rebecka Martinssons Büro nach einer Sitzgelegenheit um.
»Schmeiß die auf den Boden«, sagte Rebecka und nickte zu den Unterlagen hinüber, die im Besuchersessel lagen und Platz wegnahmen.
»Zu viel Arbeit«, sagte Anna-Maria resigniert und setzte sich auf die Dokumente. »Es gibt ihn nicht.«
»Den Weihnachtsmann?«
Trotz ihrer Enttäuschung konnte Anna-Maria ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Den Typen, der das Auto gemietet hat. Den mit dem hellen Mantel, den die Taucher an der Fundstätte heraufgeholt haben. John
Weitere Kostenlose Bücher