Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
einem kleinen Schrank, dann das Schild zum Raum hinter den Duschen mit der Aufschrift »Höhensonne«, die Buchstaben in der Type Futura. Alle anderen Bilder stammen aus Rensjön und Abisko.
Was für eine kleine Welt, denken Gunilla Petrini und ihr Mann.
»Ich bin also Kuratorin bei Färgfabrikken«, sagt Gunilla Petrini zur Mutter.
Sie reden unter vier Augen miteinander. Ester und Gunillas Mann gehen nach draußen und sehen sich die Rentiere an, die auf der anderen Seite der Gleise in ihrem Gehege stehen.
»Ich sitze in der Leitung des staatlichen Kunstrats und bin Einkäuferin für viele große Betriebe. Ich habe Einfluss in der Kunstszene von Schweden.«
Die Mutter nickt. Sie hat schon verstanden.
»Ich bin beeindruckt von Ester. Und ich lasse mich nicht so leicht beeindrucken. Sie hat die Grundschule hinter sich, aber was will sie jetzt machen?«
»Ester ist nicht gerade eine Leuchte in der Schule. Aber sie kann den Gesundheits- und Sozialzweig einschlagen.«
Gunilla Petrini reißt sich zusammen. Sie kommt sich vor wie ein Ritter, der in letzter Sekunde heranprescht, um die Jungfer in Nöten zu retten. Gesundheits- und Sozialzweig!
»Ihr habt nicht zufällig vor, sie Kunst studieren zu lassen?«, fragt sie mit ihrer mildesten Stimme. »Sie ist vielleicht noch zu jung für die Akademie, aber es gibt doch vorbereitende Kurse. An Idun Lovéns Kunstschule, zum Beispiel. Die Leiterin ist eine alte Freundin von mir.«
»Stockholm«, sagt die Mutter.
»Es ist eine große Stadt, aber ich würde mich natürlich um sie kümmern.«
Gunilla Petrini irrt sich. Es ist nicht die Sorge, dass Ester zu jung für die Großstadt ist, was sie aus der Stimme der Mutter hört.
Es ist die Ruhelosigkeit. Dass sie selbst in diesem Leben mit Familie und Kindern festsitzt. Es sind die vielen ungemalten Bilder tief unten in ihrer Seele.
Später an diesem Abend sitzen sie mit Vater am Küchentisch.
»Die finden dich natürlich exotisch«, sagt Mutter und klappert mit den Tellern. »Ein indisches Mädchen in samischer Tracht, das Berge und Rentiere malt.«
»Ich will nicht weg«, sagt Ester in dem Versuch, die Mutter zu besänftigen, auch wenn sie nicht ganz begreift, warum die so aufgebracht ist.
»Das willst du wohl«, sagt die Mutter energisch.
Der Vater sagt nichts. Wenn es wirklich darauf ankommt, dann entscheidet die Mutter.
ANNA-MARIA MELLA und Sven-Erik Stålnacke fuhren von Regla weg. Im Rückspiegel sah Anna-Maria, dass Mikael Wiik für den Chevrolet mit den getönten Scheiben das Tor öffnete.
»Wer waren die denn bloß?«, fragte sie.
Kaum hatte sie es gesagt, da begriff sie auch schon. Die praktischen Stiefel, das kollegiale Nicken, das Mikael Wiik und der Fahrer des Chevrolet gewechselt hatten.
»Sicherheitsleute«, sagte sie zu Sven-Erik. »Was mag da wohl los sein?«
»Die haben sicher auch ihre Gipfeltreffen«, sagte Sven-Erik.
»Aber anders als schwedische Politiker lassen sie sich dabei bewachen.«
Anna-Maria Mellas Mobiltelefon klingelte, und Sven-Erik griff nach dem Lenkrad, während sie in ihrer Tasche wühlte. Es war Tommy Rantakyrö.
»Hier ist die Telefonsektion«, sagte er mit aufgesetzt beleidigter Stimme.
Anna-Maria lachte.
»Diese Einzahlung auf Inna Wattrangs Konto«, sagte er dann. »Die wurde doch in der Enskilda-Filiale in der Hantverkargata getätigt. Es gibt einen Typen, der von einer Adresse in der Nähe aus so ungefähr pausenlos Inna Wattrangs privates Mobiltelefon angerufen hat.«
»Schick bitte eine SMS von dieser Adresse, Sven-Erik wird so nervös, wenn ich telefoniere und Adressen notiere und gleichzeitig fahre.«
Sie grinste Sven-Erik an.
»Wird erledigt«, sagte Tommy Rantakyrö. »Hände ans Rad.«
Anna-Maria reichte Sven-Erik das Telefon. Eine halbe Minute darauf kamen Namen und Adresse.
»Malte Gabrielsson, Norr Mälarstrand 34.«
»Da fahren wir hin«, sagte Anna-Maria. »Wir haben ja doch nichts Besseres zu tun.«
Eine Stunde und zehn Minuten später standen sie vor der Haustür von Norr Mälarstrand 34 und warteten. Sie schlüpften hinein, als eine Dame mit Hund herauskam.
Sven-Erik suchte auf der Tafel mit den Namen der Hausbewohner nach einem Malte Gabrielsson. Anna-Maria sah sich um. Auf der einen Seite war die Haustür, auf der anderen der Hinterhof.
»Sieh mal«, sagte sie und nickte zum Hinterhof hinüber.
Sven-Erik schaute hinaus, begriff aber nicht, was sie meinte.
»Da draußen ist Altpapiersammlung. Komm.«
Anna-Maria ging in den Hinterhof
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