Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
und fing an, in den Papiersäcken zu wühlen.
»Volltreffer«, sagte sie nach einer Weile und hielt eine Golfzeitschrift hoch, die an Malte Gabrielsson adressiert war. »Dieser Sack gehört Herrn Gabrielsson.«
Sie grub weiter im Sack, und nach einer Weile reichte sie Sven-Erik einen Briefumschlag. Auf die Rückseite hatte jemand mit Tinte eine Einkaufsliste geschrieben.
»Milch, Senf, Crème fraîche, Minze …«, las Sven-Erik.
»Nein, sieh dir die Handschrift an, das ist dieselbe. Dieselbe wie auf der Überweisung. ›Nicht für dein Schweigen.‹«
Malte Gabrielsson wohnte im dritten Stock. Sie klingelten. Nach einer Weile wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet. Ein Mann von etwa sechzig schaute sie über die Sicherheitskette hinweg an. Er trug einen Schlafrock.
»Malte Gabrielsson?«, fragte Anna-Maria.
»Ja?«
»Anna-Maria Mella und Sven-Erik Stålnacke. Polizei. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen über Inna Wattrang stellen.«
»Verzeihung, aber wie sind Sie ins Haus gelangt? Wir haben doch einen Türcode.«
»Dürfen wir hereinkommen?«
»Stehe ich unter irgendeinem Verdacht?«
»Durchaus nicht, wir möchten nur …«
»Also, ich bin schrecklich erkältet und … ja, es geht mir einfach nicht gut. Wenn Sie also Fragen haben, dann müssen die warten.«
»Es dauert nicht sehr lange«, setzte Anna-Maria an, doch ehe sie den Satz beenden konnte, hatte Malte Gabrielsson die Tür schon geschlossen.
Anna-Maria lehnte die Stirn an den Türrahmen.
»Gib mir Kraft«, sagte sie. »Jetzt hab ich es langsam verdammt satt, von diesen Leuten wie die polnische Putzfrau behandelt zu werden.«
Wütend hämmerte sie gegen die Tür.
»Aufmachen, zum Teufel«, brüllte sie.
Sie öffnete den Briefschlitz und rief in die Wohnung:
»Wir arbeiten an einer Mordermittlung. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich jetzt mit uns reden. Sonst schicke ich uniformierte Kollegen an Ihre Arbeitsstelle und lasse Sie zur Vernehmung holen. Ich werde bei Ihren Nachbarn klopfen und mich nach Ihnen erkundigen. Ich weiß, dass Sie Inna Wattrang vor ihrem Tod zweihunderttausend bezahlt haben. Das kann ich beweisen. Auf der Überweisung ist Ihre Handschrift. Ich werde nicht lockerlassen!«
Die Tür wurde geöffnet, und Malte Gabrielsson nahm die Sicherheitskette ab.
»Kommen Sie herein«, sagte er und schaute sich im Treppenhaus um.
Jetzt war er plötzlich die Freundlichkeit selber. Stand da im Schlafrock und hängte ihre Jacken in die Diele. So, als hätte er sie niemals abgewiesen.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten«, fragte er, als sie dann im Wohnzimmer saßen. »Wegen meiner Erkältung konnte ich nicht einkaufen, aber darf es vielleicht Tee oder Kaffee sein?«
Die Sofas waren weiß, der Teppich weiß, die Wände weiß. Große abstrakte Ölgemälde und Kunstgegenstände lieferten die Farben. Es war eine sehr helle Wohnung. Hohe Decken und große Fenster. Nichts stand am falschen Ort. Das Namensschild an der Tür zeigte nur seinen Namen. Er lebte also allein in dieser unberührten Wohnung.
»Danke, es geht auch ohne«, sagte Anna-Maria Mella.
Dann kam sie gleich zur Sache.
»›Nicht für dein Schweigen‹ was war das für Geld?«
Malte Gabrielsson fischte ein Stofftaschentuch aus der Schlafrocktasche, er hatte es zu einem kleinen Klumpen zerknüllt, mit dem er jetzt vorsichtig seine wunde Nase betupfte. Anna-Maria schauderte es bei der Vorstellung, dieses von Rotz durchtränkte Taschentuch anfassen und in die Waschmaschine stecken zu müssen.
»Das war ein Geschenk«, sagte er.
»Also wirklich«, sagte Anna-Maria freundlich. »Ich habe doch gesagt, dass ich nicht lockerlasse.«
»Na gut«, sagte er. »Es wird ja wohl doch herauskommen. Inna und ich waren eine Zeit lang zusammen. Und dann haben wir uns gestritten, und ich habe ihr eine oder zwei Ohrfeigen verpasst.«
»Ach?«
Malte Gabrielsson sah plötzlich traurig aus, er wirkte in seinem Schlafrock elend und ein wenig verletzlich.
»Ich glaube, es war, weil ich wusste, dass sie keine Lust mehr hatte. Sie hätte mich auf jeden Fall verlassen. Und das konnte ich nicht ertragen. Und deshalb habe ich mir erlaubt … die Kontrolle zu verlieren, oder wie man das nun nennen soll. Ich konnte mir einreden, es sei deshalb gewesen. Aber sie hätte mich auf jeden Fall verlassen. Irgendwie wusste ich das. Ich habe danach sehr viel darüber nachgedacht.«
»Warum haben Sie ihr das Geld gegeben?«
»Das war einfach nur so ein Einfall. Ich habe auf ihrem
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