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Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben

Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben

Titel: Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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ihrem Haus ein tüchtiger Kerl fehlte, und dass es im Dorf jede Menge Junggesellen gab, deren Zäune schon längst den Geist aufgegeben hatten.
    »Hast du gesagt, ihr Sohn ist überfahren worden?«, fragte sie stattdessen.
    »Ja, meine Güte«, sagte Sivving und blieb einen Moment stehen. »Der arme Kleine. Erst geht seine Mama nach Stockholm. Dann wird sein Papa überfahren. Und jetzt die Oma …«
    »Wie ist er überfahren worden?«
    »Man weiß es nicht. War Fahrerflucht. Vielleicht sollte ich mich doch kurz setzen? Ist das erlaubt? Gibt es hier nicht viele Spuren …«
    »Du kannst dich ins Auto setzen. Ich schiebe den Vordersitz nach hinten, und wir lassen die Tür offen stehen. Dann kannst du erzählen, was du über Sol-Britt weißt.«
    Sivving setzte sich ins Auto und wischte sich über die Stirn. Fast hätte Rebecka es ihm nachgetan.
    »Ja, als ihr Sohn gestorben ist. Da macht man sich doch Gedanken«, sagte Sivving, »es kann doch jemand aus dem Ort gewesen sein. Man weiß doch, dass so mancher ab und zu betrunken fährt. Und dann kriegen sie Panik und hauen ab. Oder er hat es vielleicht nicht einmal bemerkt.«
    Bella und Rotzwelpe liefen unruhig im Hundekäfig hin und her. Ihnen war doch versprochen worden, dass es in den Wald ging. Vera lag auf der Rückbank und seufzte.
    »Und Sol-Britts Vater im Herbst«, sagte jetzt Sivving. »Das war ja auch so eine Geschichte. Aber die kennst du sicher?«
    »Nein.«
    »Doch, hör doch auf. Der wurde doch von einem Bären zerfleischt. Ach, mein Gott, wann war das noch? Das Gedächtnis, weißt du. Anfang Juni! Es hat in der Zeitung gestanden. Er war alt, sie dachten, er hätte sich verirrt. Er wurde gesucht, aber sie konnten ihn nicht finden. Und dann jetzt, das kann nicht länger als zwei Monate her sein, da wurde in der Gegend von Lainio ein Bär geschossen. Der einen angeleinten Hund gerissen hatte. Und im Magen des Bären finden sie dann ein Stück von dem, von Frans Uusitalo, Sol-Britts Vater. Der Bär hatte sich den ganzen Sommer an ihm gütlich getan. Uäähh!«
    »Doch, darüber habe ich gelesen. Und das war Sol-Britts Vater?«
    Sivving schaute sie vorwurfsvoll an.
    »Das habe ich dir bestimmt erzählt. Aber du wirst es vergessen haben.«
    Er schwieg eine Weile. Rebecka ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie erinnerte sich an den Mann in Lainio, den ein Bär angefallen hatte. Als in einem erschossenen Bären ein Handknochen gefunden worden war, hatte man die Umgebung durchsucht und am Ende den Leichnam gefunden. Oder das, was davon noch übrig war.
    Es kam ja bisweilen vor, dass ein Bär einen Menschen riss. Wenn jemand zwischen eine Bärin und ihre Jungen geriet. Oder wenn jemand einen dummen Hund hatte, der zuerst den Bären jagte und dann mit dem Bären auf den Fersen zurückgerannt kam und bei Herrchen oder Frauchen Schutz suchte.
    »Und seine Mutter«, sagte Sivving. »Also Sol-Britts Großmutter. Die wurde ebenfalls ermordet.«
    »Was sagst du da?«
    »Sie war Lehrerin in Kiruna. Wann war das noch gleich? Ich glaube, sie kam kurz vor dem Ersten Weltkrieg dahin. Mein Onkel hatte sie als Lehrerin. Süß wie Karamell, sagte er immer. Lieb zu den Kindern. Sie bekam einen kleinen Sohn, obwohl sie nicht verheiratet war. Das war Sol-Britts Vater, der, den der Bär angefallen hat. Er war erst wenige Wochen alt, als sie umgebracht wurde. Grausige Geschichte. Sie wurde an einem Winterabend in ihrem eigenen Klassenzimmer ermordet. Aber das ist ja lange her.«
    »Wer hat sie umgebracht?«
    »Das ist nie herausgekommen. Ihre Freundin hat sich um den Kleinen gekümmert und ihn wie ihr eigenes Kind großgezogen. Das war damals gar nicht so leicht.«
    Beim letzten Satz starrte er Rebecka vorwurfsvoll an.
    Rebecka dachte an Sivvings Mutter, die früh verwitwet war und die Kinder allein großziehen musste.
    Ich weiß, dass ich es gut habe, dachte sie. Ich könnte mir Kinder zulegen, und wir würden prima zurechtkommen. Sie hätten ein Dach über dem Kopf, Essen im Bauch und könnten zur Schule gehen. Ich würde sie nicht weggeben müssen.
    Sie sah Sivving an. Wusste, dass er der Armut ins Auge geblickt hatte. »Wir hätten ohne Weiteres im Waisenhaus landen können«, sagte er bisweilen.
    Früher war eben durchaus nicht alles besser, dachte sie.

E S IST DER 15. A PRIL 1914. Die Lehrerin Elina Pettersson sitzt im Zug aus Stockholm. Sie ist auf dem weiten Weg nach Kiruna. Dem Fahrplan nach dauert die Fahrt sechsunddreißig Stunden und fünfundzwanzig Minuten, aber wegen des

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