Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben
ich das?«
»Das heißt Millennium Falcon, du Dussel«, sagte Petter. »Mama, weißt du, was das kostet? Fünftausendneunhundertneunundneunzig Kronen.«
»Hör doch auf«, sagte Anna-Maria. »Wer kauft denn Lego für sechstausend Kronen? Das darf doch nicht wahr sein.«
Petter zuckte mit den Schultern.
»Du bist der Dussel!«, rief Gustav.
Petter sagte: »Sieh’s ein, Dussel!« und zeigte ihm den Vogel.
»Hör auf«, schrie Gustav mit tränenerstickter Stimme. »Du sollst selber einsehen, dass du ein fetter Dussel bist!«
»Könnt ihr jetzt endlich mal still sein?«, schrie Jenny. »Ganz ehrlich! Ich scheiß auf den Geburtstag. Ich hab morgen eine Klausur, rafft ihr das oder was?«
Gustav versetzte seinem älteren Bruder einen Stoß. Die Tränen schossen ihm in die Augen. Petter lachte höhnisch. Gustav ging mit den Fäusten auf ihn los.
»Au«, jammerte Petter mit aufgesetzt schriller Stimme.
Robert schaute von der Zeitung hoch.
»Räumt euer Geschirr in die Spülmaschine«, sagte er, anscheinend unberührt von dem soeben ausgebrochenen Weltkrieg.
Jenny sprang auf, knallte ihr Buch zu und schrie: »Immer ich!«
Nun klingelte Anna-Marias Telefon. Irgendwo lag das, aber wo? Nicht sehr weit weg, sie hörte es ja.
»Seid bitte mal still«, rief sie. »Findet irgendwer mein Telefon?«
Sie rappelte sich auf und folgte dem Geräusch zu dem Kleiderstapel, der auf dem Stuhl in der Diele lag.
In der Küche war es still geworden. Ihre Familie sah sie an. Es war kein langes Gespräch.
»Ja«, sagte sie. »O verdammt. Ich komme.«
»Was ist passiert?«, fragte Jenny. »Komm schon, Mama, du weißt doch, dass wir nichts weitersagen.«
»Ist jemand tot?«, fragte Gustav. »Aber keiner, den ich kenne?«
»Es ist keine, die du kennst«, sagte Anna-Maria.
Sie drehte sich zu Robert um.
»Ich muss weg. Ihr könnt ja …«
Sie beendete den Satz mit einer Handbewegung, die das Chaos auf dem Frühstückstisch und das Chaos in der Küche und die Kinder und Roberts Verwandtschaft und die Autofahrt mit allen Kindern nach Junosuando und wieder zurück umfasste.
Sie spürte, dass ihre Wangen rot wurden.
Schmale Stichwaffe, dachte sie.
Ihr Herzschlag hatte sich jetzt beruhigt.
Viele Stiche, vielleicht hundert. Und dann ausgerechnet in Kurravaara!
»Grüßt Tante Ingela schön von mir«, sagte sie zu den Kindern.
Sie drehte sich zu Robert um und zog die Mundwinkel zu etwas nach unten, das wie eine Miene der Enttäuschung aussehen sollte.
»Und Oma natürlich auch«, fügte sie hinzu. »Es tut mir wirklich …«
»Versuch’s gar nicht erst«, sagte Robert.
Er zog sie an sich und küsste sie auf die Haare.
S IVVING KONNTE NICHT STILLSTEHEN . Schwankend verlagerte er sein ganzes Gewicht von einem Bein auf das andere, während er zum Wald hinüberschaute.
»Du wirst ihn finden«, sagte er zu Krister Eriksson. »Da bin ich sicher.«
Sie standen wieder vor Sol-Britt Uusitalos Haus. Techniker und Rechtsmediziner waren unterwegs. Krister schaute verstohlen zu Rebecka hinüber. Sie telefonierte noch immer.
Sie hatten den Jungen gesucht. In seinem Zimmer im oberen Stock war das Bett nicht gemacht. Sie hatten im Holzschuppen und in der alten Scheune nachgesehen, hatten eine Runde durch das Haus gedreht. Gerufen. Kein Marcus.
Krister Eriksson brummte irgendeine Antwort. Er zog Tintin die Arbeitsweste an. Sivving trat hinter seinem Rücken immer noch von einem Fuß auf den anderen.
Daran war Krister gewöhnt. Immer traten hinter ihm Menschen von einem Fuß auf den anderen. Eltern von Kindern, die sich im Wald verirrt hatten. Erwachsene Kinder, deren senile Eltern weggelaufen und verschwunden waren. Kollegen. Alle, die auf dem Boden herumtrampelten, wünschten sich ein gutes Ende. Er und Tintin waren ihre Hoffnung.
Aber Tintin zeigte keine Anzeichen von Unruhe oder Furcht. Sie fiepte vor Eifer und wollte los. Erfüllt von Hundeglück und Freude an der Arbeit.
Krister fühlte sich plötzlich bedrückt. Er wollte den Jungen nicht tot auffinden. So vieles konnte passiert sein. Seine Phantasie lieferte ihm so viele Alternativen zu dem guten Ende.
Jemand trägt den Jungen zu einem Auto. Der Kleine zappelt in den Armen seiner Entführer. Er hat eine blutende Wunde am Kopf und einen Stofffetzen im Mund. Ein anderes Szenario: Ein Verrückter ersticht die Frau in ihrem Bett. Der Junge wacht auf, wird mit dem Messer verletzt, kann in die Dunkelheit hinausfliehen. Taumelt noch ein Stück weiter, stirbt einsam draußen im
Weitere Kostenlose Bücher