Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
dafür aber von einer netten Sennerin, die Decken und Tee bereithielt. Sie schien an verirrte Wanderer gewohnt zu sein und tischte – ganz klassisch ausgestattet mit Kopftuch und Schürze – in Sekundenschnelle ein kräftiges Vesper auf. Ein heißes Vollbad wäre Sara zwar lieber gewesen, doch dafür knisterte ein Feuer im Ofen, und Sara ging es besser, kaum dass sie den urigen, leicht verqualmten Raum betreten und sich in trockener Kleidung an dem alten Holztisch niedergelassen hatte.
»Eure Vermissten sind unversehrt zwei Almen weiter drunten angekommen, ist ein ganz schönes Stück, was die noch geschafft haben. Aber wenigstens haben sie sich gefunden«, wusste die Sennerin zu berichten, als Toni und Sara sich über ihre Brotzeit hermachten.
»Wie geht es ihnen?«, wollte Toni sofort wissen.
»Na, die sind tropfnass und auch völlig ausgekühlt, aber putzmunter. Sie haben wirklich Glück gehabt. Weiß der Himmel, wo sie hinwollten, die leichtsinnigen Kinder.« Auf Saras fragenden Blick hin deutete sie auf das Mobiltelefon auf dem Küchentisch. »So arge Hinterwäldler sind wir hier nicht. Wir haben Empfang, Stromaggregate und sogar Funkgeräte für den Notfall. So ein Wetterumschwung kommt häufiger vor. Droben beim Leo und auf der anderen Alm gibt es die gleiche Ausstattung, sodass wir uns Bescheid geben konnten. Nur den Toni, den haben wir nicht erwischt.« Schuldbewusst tastete Toni nach seinem Mobiltelefon und murmelte undeutlich eine Erklärung von wegen »im Sturm nicht gehört oder leerer Akku oder so«.
»Jedenfalls müsst ihr hier übernachten. Könnt ja schlecht wieder aufsteigen in der Nacht. Und Schnee gibt’s vielleicht auch noch. Die beiden anderen bleiben beim Friesinger in der Hütte, der ist ganz schön knurrig deswegen. Morgen früh holt ihr sie ab. Und dann geht’s immer den Fahrweg am Bach entlang, bis ihr nach einer Stunde auf den Hauptweg stoßt, wo Leo und eure Gruppe warten. Nur wenn sich das Wetter nicht ändert, bleibt jeder, wo er ist, hat der Leo gesagt.«
Wie es das Schicksal wollte, saß nun Sara mit Toni auf der einen Alm fest und Theresa mit Luca auf der anderen. Ein albernes Hicksen stieg aus Saras Bauch langsam die Brust nach oben, bis es mit einem als Hustenanfall getarnten Keuchen aus ihr herausbrach. Das war so verrückt! Was hätte Theresa wohl dafür gegeben, hier an ihrer Stelle zu sein. Na ja, jetzt, nach Tonis Zurückweisung, vielleicht nicht mehr so viel, aber trotzdem fand Sara die Situation skurril.
Mit einem besorgten Stirnrunzeln reichte die Sennerin Sara eine frische Tasse. Anstatt Tee gab es nun heiße Milch mit Honig, vermutlich um auch noch die winzigsten Vorboten einer Erkältung auszumerzen. Außerdem bekam sie ihr ganz privates Wärmekissen auf den Schoß – einen knuddeligen, wolligen Welpen, der Sara beglückt an den Fingern nagte und außerdem der beste Freund eines Schäfchens war, das mit seiner Familie in einem Verschlag hinter der Hütte hauste und erbärmlich blökte. Sara fühlte, wie sie ruhiger wurde und sich langsam entspannte. Eine Änderung ihrer Situation war sowieso nicht möglich, also mussten alle Anwesenden das Beste daraus machen. Zum Beispiel Welpen kraulen und dem Bergweltfachgesimpel von Toni und der Sennerin zuhören, die sich über Wetterumbrüche, Gerölllawinen und leichtsinnige Touristen ausließen.
»Ich finde die arroganten am besten, die sich für Profis halten oder meinen, mit ihrer Ausstattung könne ihnen nichts passieren. Die, die einen ganzen Technikladen mit sich rumschleppen und sich dann fragen, warum den Berg Technik einen Dreck interessiert. Kaum taucht ein Funkloch auf oder treffen die Wetterprognosen nicht ein, sind sie völlig hilflos«, empörte sich Toni über einige Wanderer.
»Aber die sind wenigstens vorbereitet. Erst gestern hatten wir ein Paar mit Kleinkind hier. Das Mädel trug rosa Schläppchen, ein Rüschenkleid und keinen Sonnenschutz. Die Mama hatte Zehentreter mit Perlen an, der Papa die hundertfünfzig Euro teuren Tourenschuhe samt Wanderstöcken. Er beschwerte sich bei mir, dass sein elektronischer Wanderführer hier einen geteerten Fahrweg meldete, der nicht vorhanden war. Und dann war ich schuld dran, dass seine Frau und seine Tochter Blasen an den Füßen hatten.« Die Sennerin schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich hab sie alle eingepackt, nach unten geführt und mit dem Pickup zur Hauptstraße zurückgefahren. Hat mich drei Stunden gekostet und der konnte sich gerade mal ein
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