Rebella - Verliebt oder was?
unwahrscheinlichen Fall – wenn er eine verdammt
gute Ausrede hat?
Von Weitem schon sehe ich ihn dort stehen. Er lehnt an
der Mauer. Mit einer Schuhspitze zeichnet er Linien in den
Sand. Vor ein paar Tagen hätte sich mein Bauch noch zusammengezogen,
wenn ich ihn dort so hätte stehen sehen. Jetzt
fühlt es sich an, als würde mein Herz zerreißen.
Am liebsten würde ich mich umdrehen und wegrennen.
Ich will nicht hören, wie er zugibt, Julia geküsst zu haben.
Ich will seine Ausreden nicht hören. Ich will sein
es tut mir
leid
und sein
aber ich dachte …
und sein
ja, aber sie …
nicht
hören.
Ich will es nicht wissen, nicht, wenn die Wahrheit wie
ein Faustschlag ins Gesicht ist. Lass mich nur nichts wissen,
nichts lernen, nichts hören, wenn ich dadurch weiterhin glauben
kann, dass alles gut war, gut ist und immer gut sein wird.
Ich bin ein paar Meter von ihm entfernt, als er aufsieht. Er
hebt langsam den Kopf und lacht mich vorsichtig an.
Mach das nicht, denke ich. Lach mich nicht so lieb an,
jetzt, wo ich dich zum ersten Mal wiedersehe und mich am
liebsten fest an dich kuscheln würde.
»Hey, du«, sagt er leise.
Ich muss zweimal schlucken, bevor ich ›Hey‹ zurücksagen
kann.
»Wie geht’s?«
Ich zucke mit den Schultern. Wenn ich ihn jetzt ansehe,
brülle ich ihn an, wie wütend ich bin und wie satt ich es habe,
wegen ihm zu heulen. Ich starre schweigend auf den Boden.
Soll er seine Geschichte doch erst erzählen.
»Pass doch auf!«
Ich gebe mir Mühe, nicht loszulachen, als ich sehe, wie sie
fast gegen einen Pfosten fährt.
Marie merkt es anscheinend gar nicht. Sie legt die Hand auf
Lynns Arm und radelt unentwegt schnatternd weiter, ohne
sich noch einmal umzusehen.
»Ist dein Mädchen beschwipst oder so?« Tim schlägt mir
auf die Schulter. »Die hätte ja gerade fast den Pfosten umgenietet!«
»Sie ist nicht mein Mädchen«, sage ich knapp und schlendere
zurück in Tims Wohnzimmer.
Das geht mir so auf den Wecker, all die Leute, die denken,
es sei wie Pfeiffersches Drüsenfieber. Als bekäme man von
einem einzigen Kuss gleich eine feste Freundin.
»Ist sie nicht Josses Schwester?«, höre ich Saskia hinter mir.
»Dieser Josse ist echt megacool.«
»Ach ja?«, fragt Tim, während er den Arm um sie legt.
»Dann liegt das wohl in der Familie, seine Schwester braucht
sich auch nicht gerade zu verstecken.«
Saskia sieht Tim mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Wer? Marie? Die ist doch ein ziemliches Mauerblümchen.
Hast du gesehen, was sie heute Abend anhatte?«
Ich habe keinen Bock, darauf zu reagieren. Zugegeben:
Bisher war mir Marie in der Schule nie richtig aufgefallen.
Wenn Jaspers neue Flamme nicht ihre Freundin wäre, hätte
ich wahrscheinlich nicht mit ihr geredet. Aber heute Abend
hatte ich wirklich Spaß mit ihr, und als mir irgendwann
nichts mehr einfiel, was ich noch erzählen könnte, und sie so
süß vor sich hin starrte, musste ich sie einfach küssen.
»Noch ein Bier, Casanova?«, fragt Tim, während er Saskia
an sich zieht und ihr einen Kuss auf den Kopf gibt. »Es ist
noch mindestens ein voller Kasten übrig geblieben.«
»Ich gehe gleich nach Hause«, sage ich. »Ich will heute
Abend nicht so lange machen.«
»Stell dich nicht so an«, sagt Tim lachend und lässt sich aufs
Sofa fallen. »Wir haben Ferien, Mann! Los, noch eins zum
Abgewöhnen!«
Ich zögere. Ich habe meinen Eltern versprochen, nicht so
spät nach Hause zu kommen. »Wie viel Uhr ist es denn?«
»Gerade mal kurz nach elf«, sagt Tim.
Na gut. Noch eins.
Ein paar Bier später sitze ich mit Jasper in der Küche. Wir
reden. Tim, Saskia und Benjamin hocken ebenfalls am Küchentisch
und machen ein Saufspiel, bei dem Saskia alle fünf
Minuten einen hysterischen Lachanfall bekommt.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, sagt Jasper, während er drei
Kronkorken auf den Tisch legt. »Es gibt drei Dinge, mit
denen du jedes Mädchen rumkriegen kannst.«
Er schiebt den Kronkorken vor, der ganz links liegt. »Nummer
eins: Mach ihr Komplimente!«
Ich fummele an dem Etikett meiner Bierflasche und sage
nichts. Ich kenne Jasper nicht erst seit heute und weiß, dass
ich ihm keine Fragen zu stellen brauche. Er kann reden wie
ein Mädchen. Man braucht ihm nie etwas aus der Nase zu
ziehen, er erzählt alles von sich aus.
»Ja, bestimmt glaubst du mir wieder nicht, was? Klar, du
darfst es natürlich nicht zu auffällig machen, aber dann wirst
du merken, dass es funktioniert. Einfach so ganz nebenbei
sagen, dass ihr Haar so
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