Rebellen der Ewigkeit
Gefühle miteinander. Er empfand Reming gegenüber nichts als Distanz und Wut. Musste er deswegen ein schlechtes Gewissen haben? Sollte er sich nicht darüber freuen, endlich den Vater wiedergefunden zu haben, der ihm sein ganzes Leben gefehlt hatte? Oder war durch seine lange Zeit der Elternlosigkeit der Familieninstinkt bei ihm verkümmert? Er empfand mehr positive Gefühle für Karelia als für diesen Mann, der vorgab, sein leiblicher Vater zu sein.
»Selbst wenn ich dein Sohn bin – woher soll ich wissen, ob deine Geschichte mit meiner Mutter, die dir angeblich nichts von mir erzählt hat, stimmt? Vielleicht hattest du nur einfach keine Lust auf einen kleinen Klotz am Bein, der deinen großen Plänen im Weg gestanden hätte.«
Reming nahm einen Schluck von seinem Eistee. »Ich verstehe deine Reaktion völlig. Alles andere wäre auch ungewöhnlich. Auch ich würde niemandem vertrauen, der nach siebzehn Jahren auftaucht und behauptet, nichts von mir gewusst zu haben. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das ändern wird. Vor allem, wenn du mehr über deine Mutter erfährst.«
»Was willst du mir denn über sie erzählen? Ich denke, sie ist spurlos verschwunden.«
»Das stimmt. Aber ich kannte sie sehr gut, und ich weiß, dass sie nichts ohne Absicht tut. Du bist übrigens bei deinen Recherchen auf sie gestoßen. Ihr Name ist Amanda Reisz.«
Willis stutzte. »Die Amanda Reisz von Reisz & Reming?«
Reming nickte. »Genau die. Deine Mutter und ich haben die Grundlagen für dieses Unternehmen gelegt, indem wir gemeinsam die Technologie für den Zeithandel entwickelt haben. Wir waren lange Jahre ein Paar, und ich glaubte, das würde ewig so bleiben. Doch dann begann Amanda, sich zu verändern. Sie fing an, alles infrage zu stellen, was wir zusammen aufgebaut hatten. Ich kam ihr entgegen, wo ich nur konnte, aber es war nie genug. Mir ist bis heute nicht klar, was die Ursache für ihre Verhaltensänderung war.«
»Und dann ist sie einfach abgehauen?«, fragte Willis ungläubig. »Ohne irgendeine Erklärung?«
Reming fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »So ist es. In den Wochen vorher hatten wir eine Reihe von Auseinandersetzungen gehabt. Ich wollte unsere Technologie in Ruhe weiterentwickeln, sie wollte alles verkaufen. Ich habe stundenlang mit ihr darüber gestritten, was das bedeutet: Wir hätten die Kontrolle über unsere Erfindung verloren und damit auch darüber, was jemand mit ihr anstellt. Aber Amanda war Argumenten gegenüber nicht mehr zugänglich. Und dann verschwand sie plötzlich und ich habe Tempus Fugit gegründet.« Er trank sein Glas mit einem Zug leer. »Du kannst Lago fragen, er hat die ganze Sache hautnah mitgekriegt.«
Willis war nicht überzeugt. »Und du wusstest nicht, dass sie mit mir schwanger war?«
Reming seufzte. »Ich bin unfruchtbar. Es hat eine Zeit lang gedauert, bis wir das rausbekommen haben. Auf dem üblichen Weg konnten wir keine Kinder bekommen.«
»Aber ...«
»Du meinst, wie sie dich dann gebären konnte? Ganz einfach: Sie hat dich aus meinen Zellen klonen lassen.«
Willis schwirrte der Kopf. Er sollte gar nicht der leibliche Sohn seiner Mutter sein? Ein Schwindelgefühl ergriff ihn, und er umklammerte die Lehnen seines Sessels, bis ihm die Hände schmerzten.
»Heißt das, ich bin dein exaktes Abbild?«, krächzte er.
»Genauso ist es. Amanda und ich hatten zwar über diese Möglichkeit gesprochen, sie aber nie realisiert. Jetzt ist klar, dass sie es ohne mein Wissen getan hat. Deine und meine DNS sind identisch.«
Willis beugte sich vorsichtig vor und stürzte seinen Eistee mit einem Zug herunter. Langsam wich seine Benommenheit von ihm. »Wenn ich dein Klon wäre, müsste ich dann nicht exakt so aussehen wie du?«
Reming schüttelte den Kopf. »Es gibt noch andere Faktoren, welche die Entwicklung eines Embryos beeinflussen. Wir teilen die Mehrheit unserer Gene, aber es gibt auch gewisse Abweichungen. Allerdings nicht in fundamentalen Dingen. Du solltest also meine Intelligenz und auch meinen starken Willen besitzen.«
Willis wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Er war nicht dumm, das hatten ihm auch die Schwestern im Waisenhaus immer gesagt, aber Schule war einfach nicht seine Sache. Und was den starken Willen betraf, so stimmte das ebenfalls. Auch wenn andere das eher als Dickköpfigkeit bezeichneten.
Ricardo stand auf und zog Willis neben sich ans Fenster. Von hier oben aus konnten sie bis über die Grenzen der Stadt hinaus blicken. Er
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