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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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lackiert und hart, mit denen konnte man schnell spielen, die älteren waren bereits aufgeraut und grau, sie waren langsamer, aber man konnte sie vorne mit einer Stürmerfigur besser packen und führen.
    Paul übte wie besessen.
    Wenn sie allein im Wohnzimmer waren und über Musik oder immer öfter auch über Mädchen redeten und der Kicker frei war, stellte er erst die Abwehrkette zurecht, legte sich einen Ball vor und versuchte ihn mit einer schnellenBewegung der Stürmerreihe ins gegnerische Tor zu schießen. Er hatte sich einen besonderen Trick ausgedacht: Mit dem linken Angreifer schoss er den Ball in einem speziellen Winkel gegen die Bande, sodass er von dort genau ins gegnerische Tor sprang. Diese Schusstechnik erforderte viel Übung, und Alexander sah seinem Freund zu, wie er diese Technik von Woche zu Woche verbesserte.
    Eigentlich hielt Alexander Tischfußball für ein Proletenspiel. Passend zum Waisenhaus, aber nicht zu ihm. Schließlich ging er zwei-, dreimal in der Woche zum Handballtraining. Trotzdem: Es war faszinierend, Paul beim Spielen zuzusehen. Paul spielte meist vorne, Stürmer also, hielt in der linken Hand die Stange mit den fünf Mittelfeldfiguren, und mit der rechten Hand führte er drei Angreifer.
    Sobald Paul spielte, ging eine Veränderung in ihm vor. Er stand vornübergebeugt, der Blick folgte dem Ball, er wirkte dann so konzentriert, dass Alexander an einen jagenden Hund denken musste, alle Sinne geschärft und nur auf das Wild fixiert. Das Spiel war schnell, und Alexander verstand nicht, wie Paul so flink eine Lücke wahrnehmen, den Ball in Position bringen und dann abziehen konnte. Er hatte doch keine Zeit zu überlegen. Es war eine einzige fließende Bewegung. Insbesondere, wenn Paul einen Ball vorne mit der Dreierreihe stoppte, ihn zwischen den drei Figuren zirkulieren ließ, um den Verteidiger zu irritieren, um dann plötzlich mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung zu schießen. Tischfußball war doch komplexer, als er angenommen hatte.
    Ihn faszinierte das Instinkthafte an Paul, die schlafwandlerische Sicherheit, das automatisch richtige Handeln, scheinbar ohne zu denken, die überbordende Freude, wenn ein Tor gelang, die Enttäuschung, wenn ein Spielzug misslang, kurz, die Leidenschaft und Hingabe, mit der Paul dieses Spiel betrieb. Und wieder wusste Alexander, dass sein Freund ihm etwas Entscheidendes voraushatte.

    Er bat ihn, mit ihm zu trainieren.
    Paul stimmte zu. »Ich dachte, Tischfußball wäre zu primitiv für dich.«
    »Quatsch.«
    »Ein Vorschlag: Ich kann eigentlich nur vorne spielen. Was hältst du davon, wenn du dich auf die Verteidigung konzentrierst?«
    »Einverstanden.«
    Die Kunst der Verteidigung bestand darin, mögliche Schussbahnen des Gegners mit den eigenen drei Figuren zuzustellen. Erforderlich war ein gutes Auge, schnelle Reaktion und die Bereitschaft, den Ball schnell wieder nach vorne zu spielen.
    »Ich bin es gewöhnt, bei allem nachzudenken, was ich mache. Ich lese erst die Gebrauchsanweisung, bevor ich eine Glühlampe einschraube.«
    »Das kannst du beim Kickern vergessen. Üben. Dann klappt’s irgendwann.«
    Alexander wurde besser, aber ein instinktiver Spieler wie Paul wurde er nie. Sie übten, wenn niemand anderes spielen wollte. Am besten lief es, wenn Alexander den Plattenspieler mitbrachte. Dann krachten die Bälle zu Keith Richards’ Riffs ins Tor. 19th Nervous Breakdown. Zack. Alexander hörte zu, wenn Paul ihm die nicht gedeckten freien Schussbahnen erläuterte, wurde schneller im Wechsel mit der Verteidigerreihe, hielt den Ball nur kurz hinten und schoss ihn zügig nach vorne zu Paul. Er sah sich dessen Bandentrick ab, stoppte den Ball und schoss mit einem seiner beiden Verteidiger gegen die Bande etwa in der Mitte der Platte, sodass er von dort Kurs aufs gegnerische Tor nahm. Paul und Alexander ergänzten sich perfekt. Sie wurden ein richtig gutes Team.

    Sonntags fuhren sie zusammen auf den place, wie sie den Münsterplatz nannten. Den Plääs, wie Paul sagte. Alexander fuhr nun ein Mofa, das ihm seine Eltern für das beste Klassenzeugnis geschenkt hatten. Paul saß auf dem Gepäckträger. Auf dem place war nicht besonders viel los, andere Jugendliche standen rum, man redete, trank etwas. Anschließend ging’s ins Feierling. In dem großen Saal spielten die G-Men. Soul von Otis Redding, Wilson Pickett, Solomon Burke, In the Midnight Hour, schnelle Sachen eben. Aufbruchsstimmung herrschte, aber niemand hätte das so genannt.
    Auf dem

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