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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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einen Kreis, der wohl die ganze Welt umschließen sollte.
    »Ich glaub auch an Gott«, sagte Alexander, »aber irgendwie ist er mir in letzter Zeit nicht mehr so wichtig.«
    Sie schwiegen.
    »Wir sollten uns eine Pistole zulegen«, sagte Alexander beiläufig.
    »Komm mal mit.«
    Paul führte ihn zu seinem Spind, öffnete ihn und zog einen Beutel mit Schmutzwäsche hervor, griff tief mit dem Arm hinein und zog eine Luftdruckpistole raus.

    »Wahnsinn. Darf ich mal halten?«
    »Ja. Muss aber unter uns bleiben. Geheimnis.«
    »Klar.«
    »Ich hatte mal ’ne richtige. Die haben die mir hier aber abgenommen.«
    »Eine richtige Pistole? Erzähl!«
    Doch Paul erzählte nie.

    Als Alexander sich am Nachmittag mit seinem Dual-Plattenspieler wieder aus der hinteren Pforte schlich, stand Karin draußen auf der Straße.
    »Kommst du am Mittwoch wieder zum Aschoff-Platz?«
    »Mal sehen. Weiß noch nicht.«
    »Ich bin auch da.«
    Ich bin auch da – was bedeutete das? Eine Einladung? Alexander rannte los, eine der Boxen rutschte auf den Boden. Hoffentlich bemerkt die Mutter die Macke auf der Rückseite nicht.
    Ich bin auch da – den ganzen Abend dachte er über die Bedeutung dieses Satzes nach.

    So traf er sich mit Karin. Sie schwänzten zusammen mittwochmorgens die Kirche, trafen sich am Aschoff-Platz, blieben aber nicht dort, sondern gingen meistens auf den Alten Friedhof. Dort saßen sie auf einer der Bänke. Es war warm, sie redeten über irgendwas. Dann dachte er: Ist doch scheißegal, ist doch bloß ein Heimweib, und legte seine Hand auf ihren Busen. Erschrak. Es fühlte sich hart an. Sie nahm mit einer schnellen Bewegung seine Hand wieder weg und legte sie zurück auf sein Knie. Nach ein paar Minuten legte ersie erneut auf ihren Busen, und sofort schob sie sie mit einer beiläufigen Bewegung wieder zurück. So ging es dreimal, fünfmal, siebenmal. Dabei unterbrachen sie ihre Unterhaltung nicht. Merkwürdige Choreografie, der Griff hin, die Bewegung zurück, und nach einiger Zeit erneut die gleichen beiden ineinanderfließenden Bewegungen.
    Am Abend versuchte er die Zeit zusammenzurechnen, wie lange er ihre Brust in seiner Hand gehalten hatte. Es mussten fünf, vielleicht sogar sieben Sekunden gewesen sein.
    Wahnsinn. Es ging voran.

17. Paul
    Alexanders Besserwisserei war manchmal schwer zu ertragen. Bloß weil er aufs Kepler ging und Englisch lernte?
    Dingsbums statt Grapefruit.
    Na und?
    Kommt es darauf an?
    Sie sahen sich nun fast täglich.
    Alexander kam ins Waisenhaus, sobald er seine Hausaufgaben erledigt hatte, außer am Sonntag, da wachte die Familie über ihn.
    Sie waren nun jeder des anderen bester Freund. Aber etwas an dieser Freundschaft störte Paul, ohne dass dies jedoch einen spürbaren Schatten über sie legte. Er konnte die Missstimmung nicht benennen. Vielleicht hing sie damit zusammen, dass Alexander im Waisenhaus ein und aus ging, dass er ihn aber noch kein einziges Mal zu sich nach Hause eingeladen hatte. Das machte ihn manchmal traurig, manchmal aber auch wütend, weil es ihn auf den großen Unterschied zwischen ihnen hinwies. Er war bloß ein Heimkind.
    Trotzdem: Er bewies Alexander seine Freundschaft und brachte ihm einige nützliche Dinge bei. Er zeigte ihm, wie man im Musikgeschäft Ruckmich Singleplatten der Stones stahl: nicht auffallen, den rechten Zeitpunkt abwarten und dann die Platte in die Hose schieben. Ein weiter Pullover verdeckte die Beute.

    Er zeigte Alexander auch, wie man mit dem langen Ende eines Stilkamms eine Schachtel aus der Schublade des Zigarettenautomaten fischen konnte. Aber seltsamerweise rauchte Alexander nicht, wollte es nicht einmal probieren.

18. Alexander
    Alexander wurde mittlerweile in der Gruppe Wackenhut von allen als Freund von Paul respektiert. Mit einer Ausnahme: Beim Tischfußball war er eine Niete, niemand wollte mit ihm spielen, und das ärgerte ihn.
    Auf eine merkwürdige Art, die er nicht genau verstand, drückte die Fähigkeit, Tischfußball zu spielen, die soziale Hierarchie unter den Waisenkindern aus. Aber sie hatten sich ein faires System ausgedacht, das regelte, wer an die Platte durfte. Gespielt wurde zu viert, das heißt zwei Mannschaften zu je zwei Jungs. Wollten zwei andere spielen, klopften sie an den Tisch und sagten: »Gefordert!« Dann durften sie im nächsten Spiel gegen die Siegermannschaft antreten. Die beiden besten Spieler blieben also so lange am Kicker, bis sie geschlagen wurden.
    Es gab zwanzig Bälle, die neueren waren weiß

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