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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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musste.
    Dann war der Film zu Ende, das Licht ging an, und als sie sich aufrichtete, drückte sie mit ihrem Ellbogen in seine Handfläche. Für einen Augenblick verstand er nichts. Aber dann wurde ihm klar, dass es ihr Ellbogen gewesen war, den er während des Films mit der Hand umklammert hatte. Er fühlte sich betrogen. Er war wütend und verabschiedete sich von der überraschten Karin sofort am Kinoausgang.

20. Alexander
    Paul zeigte Alexander seine Erfindungen. Aus einer Stopfnadel und Wollfäden fertigte er Geschosse für die Luftdruckpistole. Auch den zugespitzten Stiel eines Dauerlutschers konnte er in Munition verwandeln.
    Es war aufregend: Der groß gewachsene, schlaksige Junge mit den langen Haaren, einer der friedlichsten Typen, die Alexander kannte, bastelte unentwegt an Pistolen und Munition. Alexander dachte damals nicht weiter darüber nach. Er kümmerte sich auch nicht besonders um die Typen, die sich nach und nach zu ihnen gesellten. Einer klaute nachts Mopeds, die er an einen festen Abnehmer in Haslach verkaufte. Es gab einen dicken Jungen, der auf Baustellen die Buden aufbrach, das Leergut stahl, um es beim Gottlieb gegen das Pfandgeld einzutauschen. Paul zeigte ihm, wie man Zigarettenautomaten knackte.
    »Heute stehst du Schmiere. Sobald jemand kommt, pfeifst du.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Stell dich nicht so an. Wir können dann den Keller mieten.«
    Sie suchten einen abgelegenen Zigarettenautomaten. Alexanders Magen grummelte. Hoffentlich musste er nicht kotzen. Er stellte sich mit dem Mofa so, dass er die Straße beobachten konnte. Stofflappen vor dem kleinen grünenNummernschild. Paul schlenderte zu dem Automaten, zog einen Schraubenzieher aus der Hose. Das Schloss auf der rechten Seite knackte. Er zog den vorderen Teil auf, als wäre es eine angelehnte Tür. In einer Metallschale lagen silberne Markstücke. Paul stopfte sie in die Hosentasche. Er pfiff zweimal. Alexander fuhr vor. Paul schwang sich auf den Gepäckträger. Nichts wie weg.
    Sie vergruben das Geld in der Heimwiese.
    »Kennst du die Schatzinsel?«
    Alexander schüttelte den Kopf.
    »Musst du lesen. Den Schatz gibt es wirklich. Ich hol ihn mir später einmal.«

    Hätte er damals nicht vorsichtig werden sollen? Alexander hatte sich die Frage oft gestellt.

21. Paul
    Paul beendete die Hauptschule mit einer Drei im Rechnen, einer Fünf in Aufsatz, einer Zwei in Raumlehre und einer Vier in Rechtschreiben, einer Vier in Religion und einer Drei in Naturkunde.
    »Das ist ein merkwürdiges Zeugnis«, sagte die »O«. »Wie sollen wir denn mit diesem Zeugnis eine Lehrstelle für dich finden? Eigentlich bist du zu nichts zu gebrauchen.«
    Sie war berüchtigt für ihre Methode, mit der sie für die Zöglinge einen Lehrberuf aussuchte. Waren die Noten einigermaßen, wurden Jungs Elektromechaniker, die Mädchen irgendetwas im Büro, waren sie besser, wurden die Jungs Radio- und Fernsehtechniker. Hatten sie jedoch zwei linke Hände, kam nur eine kaufmännische Lehre in Betracht. Je nach den Noten wurden sie dann Einzelhandelskaufmann, die etwas besseren Großhandelskaufmann und die Guten durften eine Industrie- oder Versicherungskaufmannslehre antreten. Bei Paul funktionierte ihr Schema nicht.
    »Ich weiß nicht, was zu dir passt.«
    »Ich will Erfinder werden«, sagte er.
    »Du möchtest also mit den Händen arbeiten?«
    Sie überlegte, stand dann auf und schritt zu dem Büroschrank, schloss ihn auf, öffnete eine Tür, die den Blick auf einen eingebauten Safe freigab, schloss auch diesen auf und zog von ganz hinten Pauls Revolver hervor, legte ihn vordem überraschten Jungen auf den Tisch und sah ihm fragend ins Gesicht.
    Paul rutschte auf dem Stuhl hin und her. Dann griff er nach der Waffe und baute sie in wenigen Handgriffen auseinander.
    Die »O« nickte, als sie die Einzelteile vor sich liegen sah. »Und das Ganze jetzt wieder zurück«, sagte sie.
    Zack, zack, zack, und die Pistole lag wieder da, wie aus einem Stück.
    »Prima«, sagte sie und hakte seinen Namen auf der Liste ab. »Du wirst Feinmechaniker.«
    Dann legte sie die Pistole zurück in den Safe und griff zum Telefon.

    Lehrling zu werden bedeutete auch, Abschied von der Gruppe Wackenhut zu nehmen. Er gehörte nun zu den Großen. Endlich zog er von der Kindergruppe in eine Jugendgruppe. Zimmer nicht mehr mit dreizehn anderen Kindern, sondern Zweibettzimmer. Eigene Plattenspieler waren erlaubt. Es bedeutete, nicht nur einmal in der Woche sonntagnachmittags Ausgang zu haben,

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