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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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ihn.
    »Das ist einer von draußen«, antwortete einer der anderen. Paul hielt die Augen halb geschlossen und sagte nichts.
    Alexander sah, wie der dicke Junge nachdachte. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Paul packte die Platten wieder zusammen.
    »Ich bring dich runter.«
    Gemeinsam trugen sie den Plattenspieler bis zum Ausgang.
    »Tolle Musik. Kann ich wieder mal kommen?«
    »Klar.«
    Karin schlenderte in ihre Richtung. Ob sie extra gewartethatte? Sie winkte ihm zu, und sein Herz schlug noch schneller. Er winkte lässig zurück.

    Statt samstags zur Beichte zu gehen, schlich er sich nun ins Waisenhaus. Dort war alles anders. Vor allem die Musik.
    »Wer spielt denn da?«
    »Spencer Davis Group. Die haben einen Wahnsinnssänger. Stevie Winwood.«
    »Wie heißt das Stück?«
    »Keep on Running.«
    Paul spielte ihm eine andere Platte der Band vor: Georgia on My Mind. So etwas hatte er noch nie gehört. So etwas konnte er nur hier hören.
    Die Band war eigentlich nach dem Gitarristen Spencer Davis benannt. Er war der Chef. Aber es gab mit Winwood eben dieses Wunderkind mit der rauen Stimme, das sowohl Orgel als auch Leadgitarre spielen konnte.
    »Lies mal diese Scheiße.« Paul warf ihm eine Bravo rüber.
    Die Zeitschrift rief ihre Leser zu einer Abstimmung auf, wen man besser fände: Davis oder Winwood. Es war Alexanders erste Lektion in Medienmanipulation. Das Foto von Winwood war undeutlich, er wirkte linkisch, im Text wurde er als schwierig, launisch, aber genial bezeichnet. Auf fünf Postkarten stimmten sie für den jungen Stevie, aber es nutzte nichts – Spencer Davis gewann die Wahl. Es erschien nur konsequent, dass Winwood die Band einige Zeit später verließ und die Spencer Davies Group in der Bedeutungslosigkeit versank.
    Paul regte sich über solche Dinge nicht auf. Für Alexander begann eine andere Art von Glaubenskampf.

    »Alexander«, sagte die Mutter beim Mittagessen. »Mir scheint, es wird Zeit für einen Friseurbesuch.« Sie strich ihm mit der Hand über den Kopf.
    Er drehte sich weg. »Nee, lass das.«
    Sie spielte mit den einzelnen Strähnen. »Die Haare liegen schon auf den Ohren auf. Du siehst unordentlich aus. Morgen gehst du mit mir zum Friseur.«
    »Morgen geht nicht. Ich muss für die Lateinarbeit büffeln.«
    Die Mutter steckte sich eine Lord Extra zwischen die Lippen. »Dann übermorgen.«
    »Aber da ist Bio angesagt. Das hab ich dir doch schon zehn Mal gesagt.«
    Für heute war der Kampf gewonnen.

    Später wurde Cream ihre Lieblingsband, Jack Bruce, Eric Clapton und Ginger Baker, der Drummer mit den beiden bass drums, der Schlagzeug spielen konnte, als sei es ein Soloinstrument. Wahnsinn! Jack Bruce, der Mann mit dem steglosen Bass und der kraftvollen Stimme. Eric Clapton, der den Blues mit dem Wah-Wah-Pedal spielte. Einen Song sang Paul immer mit, und Alexander lachte, als er verstand, was sein Freund da lauthals mitsang: Grapefruit – es folgte etwas Unverständliches, und dann sang Paul wieder Grapefruit.
    Alexander lachte ihn aus.
    »Hey, Paul, Clapton singt strange brew, nicht Grapefruit.«
    »Is doch scheißegal.«
    Alexanders Verwirrung dauerte nur einen Moment an, bis er verstand. Paul konnte kein Englisch. Er sang einfach die Silben mit, wie er sie hörte, ein Mischmasch, das sich Englisch anhörte, aber völlig sinnlos war. Besonders gebildet war Paul nicht. War halt bloß ein Hauptschüler.

    Das süße Gefühl der Überlegenheit machte sich in ihm breit. Warm und wohlig. Aber zugleich meldete sich der katholische Reflex: Hochmut. Todsünde. Beichten.
    Scheißegal.
    Sie lauschten Ginger Bakers endlosem Schlagzeugsolo.
    Dumm, dumm – dumm-dumm, Wirbel auf beiden bass drums.
    »Glaubst du eigentlich an Gott?«, fragte er Paul.
    »Ich weiß nicht genau. Früher mehr. Jetzt denke ich, wenn es einen Gott gäbe, dann hätte er die Welt besser erschaffen können.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, warum muss ich hier im Heim leben, und du wohnst in einem Haus mit eigenem Swimmingpool. Warum hast du einen Plattenspieler und ich nicht? So Dinge, meine ich, hat er nicht gut gemacht.«
    »Ich find’s nicht schlecht hier.«
    »Du hast Nerven.«
    »Ich hab einen Plattenspieler, aber du hast die Platten.«
    Paul lachte. »Gekauft hab ich die nicht. Geschenkt gekriegt auch nicht.«
    »Aber denkst du, dass es so was gibt wie einen Gott?«
    »Eigentlich schon. Irgendwo muss das ja alles herkommen, oder?« Paul fuchtelte mit dem Arm durch die Luft, beschrieb

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