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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Straße gingen. Von Minderjährigen wollten sie sich nichts aufzwingen lassen. Krawallmacher nannten sie uns.
    Der Stadtrat hat damals alles falsch gemacht.
    Als die Polizei prügelte, fühlte sich der Rat stark genug, selbst die wenigen Versprechungen zu kassieren, die sie den Jugendlichen gemacht hatten. Sie setzten den Punkt nicht wieder auf die Tagesordnung ihrer Sitzung, sie übertrugen die Sitzung nicht per Lautsprecher auf den Rathausplatz. Obwohl sie es versprochen hatten.
    Erst später diskutierten sie öffentlich, änderten nur Kosmetisches an den neuen Preisen. Es kamen Schulferien und Semesterferien. Sie fühlten sich als Sieger.
    Völlig falsches Krisenmanagement.
    Denn wir zogen unsere eigenen Schlüsse.
    Die Stadt wurde nie wieder wie zuvor.

41. Paul
    »Sie wollen nicht mit uns reden«, sagte Alexander. »Ich lehne den Staat ab. Auf ihn können wir nicht bauen. Das habe ich gelernt.«
    Sie hatten in der Tagesschau den Bundeskanzler gesehen. »Wir müssen lernen, mit dieser Bürgerkriegssituation richtig umzugehen«, hatte Kiesinger gesagt, die Faust über das Rednerpult gehoben und zweimal kräftig in die Luft geschlagen.
    Paul und Alexander verstanden.
    Jeder andere wohl auch.
    »Das ist ein alter Nazi«, sagte Alexander. »Alles alte Nazis. Die denken, sie sind im Bürgerkrieg mit uns. Es hat keinen Zweck, mit denen zu reden.«
    Sie dachten an die geifernden Rentner in den grauen Blousons und den Stöcken am Rande der Kaiser-Joseph-Straße.
    »Wir sollten jetzt die Party im Keller in der Habsburgerstraße organisieren.«
    »Und das Geld? Wieder Zigarettenautomaten knacken?«
    »Wir haben ja noch die in der Heimwiese vergrabenen Markstücke.«
    »Also gut.«
    Sie klingelten erneut an der Tür von Dr. Groß. 30 Mark wollte er für den Abend haben, etwa 20 hatten sie.
    »Ihr könnt mir auch im Garten helfen, wenn ihr euch etwas dazuverdienen wollt.«

    »Das ist mir lieber«, sagte Alexander.
    »Wir bringen den Freiburger Kommunen die Äpfel aus meinem Keller«, sagte der Doc.
    Kommunen? Das klang gut.
    So füllten sie aus den Regalen im Keller Äpfel in Gemüsekisten, die Paul beim Gottlieb besorgt hatte, und stapelten sie auf dem Rücksitz von Docs altem VW Käfer. Dann quetschten sie sich zu zweit auf den Beifahrersitz, der Doc fuhr. Sie belieferten die Kommune am Schwabentor, die Kommune in der Gartenstraße, die Kommune in der Stephanienstraße. Die Studenten freuten sich über die leicht verschrumpelten, aber immerhin kostenlosen Äpfel. Dann zockelten sie die Immentalstraße hinauf. Vor einem großen Gründerzeithaus hielt der Doc und zog die Handbremse an. Noch zwei Kisten standen auf dem Rücksitz, Paul trug die erste und Alexander die zweite. Doc keuchte vor ihnen den Weg zur Tür hinauf und klingelte.
    Ein älterer Student, wahrscheinlich schon fünfundzwanzig oder noch älter, mit längeren Haaren und interessantem Bart, öffnete.
    »Klaus, ich bringe euch ein paar Äpfel, die könnt ihr sicher brauchen.«
    »Stimmt. Kommt rein.« Er nahm Paul die Kiste ab.
    Sie betraten eine große Küche. Die Äpfel wurden auf dem Tisch abgestellt.
    »Das ist Alexander, Schüler vom Kepler. Und das hier«, der Doc legte einen Arm um Paul, »das ist Paul, ein Feinmechanikerlehrling. Er geht bei Heppeler in die Lehre.«
    Schlagartig stellte sich bei Paul das unangenehme Gefühl ein, dass der Doc sich mit ihm wichtigmachte. Er hatte keine Ahnung, warum. Paul trat von einem Fuß auf den anderen; er wollte gehen.
    Doch der Student fixierte ihn nun. »Hallo Paul«, sagte er. Dann zum Doc: »Den Lehrling lieferst du aber bei der Betriebsprojektgruppe des SDS ab.«
    Dann, jetzt wieder halb zu Paul, halb zu Doc. »Die planen eine Schulungsgruppe für Lehrlinge. Starten mit Lohnarbeit und Kapital.«
    Alexander stand schon wieder an der Tür.
    »Mach ich, Klaus«, sagte der Doc.
    Schweigend fuhren sie hinunter in die Stadt.
    »Kann ich da auch mit?«, fragte Alexander, als sie in die Habsburgerstraße einbogen.
    »Weiß nicht, ich glaub, da dürfen nur Lehrlinge hin.«
    »Paul, du nimmst mich doch hoffentlich mit, oder?«
    »Ich weiß gar nicht, was ich da soll.«
    »Da werden Texte von Karl Marx gelesen«, sagte der Doc.
    »Klingt nicht gerade wie Rock ’n’ Roll«, meinte Paul.

    Am liebsten hätte Paul sich umgedreht und wäre weggerannt.
    Mehrere Tische waren zu einem großen Konferenztisch zusammengeschoben. Drum herum saßen Männer mit langen Haaren, Bärten, jeder Bücherstapel vor sich aufgetürmt. Sie

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