Rebellen: Roman (German Edition)
stemmte die Tür zur Alten Uni auf. Das war ein Fehler. Die Polizisten waren schneller da, als er gedacht hatte. Zwei schlugen, ein anderer stieß ihn durch die Tür. Paul sah ihn später bewusstlos und blutendauf einer Bahre liegen, als ein Krankenwagen ihn in die Klinik brachte.
Alexander erwischten sie auf der Kaiser-Joseph-Straße. Er lief mit Gerd und Theo vor dem Wasserwerfer davon, als ihnen eine Kette Bereitschaftspolizisten entgegenkam, den Schlagstock gezogen. Sie flüchteten nach links, sprangen über das Bächle und tauchten unter einer Absperrung hindurch. Vier oder fünf Polizisten stürmten hinter ihnen her auf den Bürgersteig. Drei Rentner, einer auf einen Gehstock gestützt, stürzten sich auf sie.
»Kommunist«, geiferte der eine, während der andere Gerd den Stock auf den Kopf schlug. Theo gelang es, sich zwischen ihnen hindurchzuzwängen und wegzulaufen, aber Alexander hielten sie fest. Vier Greisenhände griffen nach ihm, drei zerrten an seinem Anorak, einer zog ihn an den Haaren. Da waren die Polizisten heran, noch auf der anderen Seite der Absperrung, ein Schlag traf ihn von hinten in die Kniekehlen, und er sackte zu Boden. Einer der Alten trat ihm auf die Hand. Eine harte Hand fasste ihn an der Schulter. Eine andere packte seinen Arm. Eine schnelle Bewegung, und er riss sich los. Seine Hand war wieder frei.
»Herr Wachtmeister, ich hab ihn«, rief einer der Alten, stieß im gleichen Augenblick einen Schmerzensschrei aus und ließ Alexander los.
Paul zog seinen Freund von den Rentnern weg. Sie flohen, von wüsten Beschimpfungen begleitet, in den Eingang des Kaufhauses Werner Blust.
Endlich im Warmen.
»Ich hab eine Idee«, sagte Paul und zeigte ihm einen runden Schminkspiegel, zwei Handteller groß. »Komm mit.«
Sie verließen das Kaufhaus durch den Ausgang, der auf den Bertoldsbrunnen mündete. Vom Westen her ging die Sonne unter, und durch die beißende Februarkälte schickte sie ihre Strahlen auf die aufgewühlte Szenerie.
Als die beiden Wasserwerfer sich spritzend die Straße hinaufarbeiteten, hielt Paul den Spiegel hoch und lenkte das Licht nach rechts auf ein Verkehrsschild, dann weiter, noch weiter nach rechts – wie eine silberne Kugel tanzte der Strahl über die Mauern und Schaufenster der Geschäfte, torkelte in die Straße, spiegelte sich erst dumpf auf dem grünen Körper des Wasserwerfers, explodierte dann zu einer Lichtorgie auf der großen Frontscheibe und blendete Fahrer und Schützen gleichermaßen. Das Fahrzeug fuhr noch ein paar Meter und hielt, die Wasserkanonen auf dem Dach versiegten. Der zweite Wasserwerfer, durch den Ausfall seines Kollegen irritiert, stoppte und mit ihm die grünen Fußtruppen. Alles stockte und geriet durcheinander.
Die Jugendlichen triumphierten und sammelten sich erneut.
Der Wasserwerfer bewegte sich einige Meter nach vorne, doch Paul ließ den gleißenden Lichtball folgen.
Die Menge jubelte.
Da arbeitete sich ein Fünfertrupp Bereitschaftspolizisten durch die Umstehenden auf Pauls Spiegel zu, sich mit dem Knüppel einen Weg bahnend, und die beiden Freunde verschwanden sicherheitshalber im Bauch des Kaufhauses.
39. Alexander
Auf dem Rückweg gingen sie an dem alten Haus in der Habsburgerstraße vorbei. Wieder standen unzählige Mofas und Fahrräder im Hof, dicht aneinandergestellt wie Liebespaare.
Alexander blieb stehen.
»Wir haben kein Geld«, sagte Paul und ging weiter.
Paul drehte sich um und sah, dass Alexander sein Jetzt-habe-ich-gerade-eine-Wahnsinnsidee-Gesicht machte.
»Die Falken. Oder die Jungsozialisten. Hier ist das SPD -Büro. Die gehören doch da dazu. Komm, wir gehen rein und melden uns an.«
Jetzt blieb auch Paul stehen. Warum nicht?
Die schwere Holztür war nur angelehnt. Alexander drückte sie entschlossen auf, und dann standen sie im Treppenhaus. Drei abgewetzte Sandsteintreppen, eine weiße Holztür und daneben ein weißes Emailschild mit schwarzer Schrift: Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Unterbezirkssekretariat.
Alexander klingelte, sie hörten Schritte, dann öffnete eine dunkelhaarige, ziemlich gut aussehende Frau die Tür.
»Ja, grüß Gott«, sagte Alexander, und Paul verzog das Gesicht. Manchmal klang Alexander wie ein obereifriger Oberschüler. »Wir beide möchten gern Mitglieder bei den Falken werden.«
»Kommt rein. Der Genosse Müller ist gerade im Büro.«
Alexander stieß Paul den Ellbogen in die Rippen. »Genosse! Hast du gehört? Genosse Müller.«
Sie traten in den
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